Schloß Lichtenburg
Wewelsburg
Exkurse
Schloss Lichtenburg ist in Gefahr, jedenfalls die NS-Gedenkstätte im Schloß Lichtenburg bei Prettin:
Berlin: (hib/VOM-hh) Nach der Zukunft der Mahn- und Gedenkstätte Lichtenburg im Landkreis Lutherstadt Wittenberg Sachsen-Anhalt) erkundigt sich die PDS-Fraktion. In einer Kleinen Anfrage (14/4336) teilen die Abgeordneten mit, das ehemalige Schloss Lichtenburg in Prettin sei eines der ersten Konzentrationslager gewesen., das die Nazis 1933 eingerichtet hätten. Bis 1939 seien überwiegend politische Häftlinge inhaftiert gewesen. Anschließend sei Lichtenburg bis Kriegsende Standort einer SS-Einheit gewesen. Die Fraktion beruft sich auf Pläne, die seit 1965 bestehende Ausstellung in Lichtenburg auf Grund finanzieller Schwierigkeiten in einen Seitenflügel zu verlagern, in dem sich der Bunker befinde, der künftig allein Gedenkstätte sein soll. Die Fraktion will wissen, ob für das Schloss Verkaufspläne existieren und welche Gründe die mit dem Verkauf beauftragte Bundesvermögensverwaltung dafür angibt. Sie fragt ferner, ob es eine Möglichkeit gibt, die Gedenkstätte in die Bundesverwaltung zu übernehmen, falls damit ihr Erhalt gesichert werden kann.
Hintergründe berichtet HANS DANIEL in der Jungen Welt vom 12.12.2000:
Wörlitz ja, Lichtenburg nein? In Sachsen-Anhalt ist ein KZ zu verkaufen
Die Gedenkstätte im Schloß Lichtenburg ist eine kommunale Einrichtung - aber die Kommune ist finanziell nicht in der Lage, die Anlage in ihrer Gesamtheit zu finanzieren. Das Land Sachsen-Anhalt ist »wegen fehlender überregionaler Bedeutung« nicht willens, die Lichtenburg in das Gedenkstättenkonzept aufzunehmen. Jupp Gerats im besagten Artikel: »Was seit Gründung der Gedenkstätte noch nie geschehen war: Im vergangenen Winter mußte die Gedenkstätte geschlossen werden, weil es kein Geld für die Heizung gab. Außerdem ist die Stelle des Leiters nicht besetzt. Nach jahrelangem Hin und Her besteht nun der Plan, die jetzige Ausstellung zu verändern und in einen Seitenflügel, in dem sich die Bunkeranlage befindet, zu verlagern. Das soll dann die zukünftige Gedenkstätte sein. Das eigentliche KZ, das gesamte Schloß und seine Wirtschafts- und Nebengebäude sollen Ende des Jahres zum Verkauf angeboten werden. Wir wenden uns mit Entschiedenheit gegen diesen Plan. Er ist ein Schlag ins Gesicht aller Verfolgten des Naziregimes und aller Antifaschisten. Es ist bisher noch nicht geschehen, daß ein KZ verkauft worden ist...« (antifa 11/2000 »Ein KZ ist zu verkaufen«)
In dem 1812 unter Napoleon eingerichteten und 1928 wegen Baufälligkeit geschlossenen Zuchthaus in Prettin wurde im Juni 1933 durch politische Häftlinge aus Merseburg eines der ersten Konzentrationslager eingerichtet. In das mit elektrisch geladenem Draht umgebene Lager wurden bis November 1933 bereits 1 500 Männer gebracht. Zeitweise waren hier bis zu 2 000 politische Gefangene inhaftiert: Zeugen Jehovas, Juden, Homosexuelle, auch als »Asoziale« abgestempelte Menschen. Aus dem Moorlager Papenburg kamen im Oktober 1933 mit einem »Bonzen- und Judentransport« u.a. der Gewerkschaftsführer WILHELM LEUSCHNER mit seinem Sprecher CARLO MIERENDORFF und der schlesische Oberpräsident HERMANN LÜDEMANN. Inhaftiert waren hier ERNST REUTER, Oberbürgermeister von Magdeburg, FRIEDRICH EBERT, der Sohn des ersten Reichspräsidenten, die KPD-Reichstagsabgeordneten THEODOR NEUBAUER, WALTER STOECKER, OTTMAR GESCHKE, der Schauspieler WOLFGANG LANGHOFF und der Rabbiner MAX ABRAHAM. In der soeben von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichten Dokumentation »Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus«, Band II, ist zu lesen: »Im KZ Lichtenburg wurden "Erfindungen" wie der Prügelbock, die isolierte Dunkelhaft, der elektrisch geladene Draht und die Bluthunde erprobt, die bald auch Verwendung in den übrigen Konzentrationslagern fanden.« |
Gedenktafel für WOLFGANG LANGHOFF, 1995 in Düsseldorf aufgenommen. |
Der Text ist frauenfeindlich, erwähnt er doch nicht die prominenteste Inhaftierte, OLGA BENARIO. Das sie wie andere auch, nicht nur dort in Haft war, sondern auch woanders, kann nicht entscheidend sein. In einer Untersuchung über Ravensbrück:
Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Susanne Lanwerd (Hg.):
Die Sprache des Gedenkens.
Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravensbrück 1945-1995.
Berlin: Edition Hentrich 1999
328 S., ISBN: 3-89468-257-4
DM 39.80
kommt sie wohl vor, zumindest schließe ich das aus der Erwähnung in KARIN HARTEWIGs Rezension "Profane Sakralisierung" für querelles-net, der Rezensionszeitschrift für Frauen- und Geschlechterforschung.
Das vielleicht prominenteste Ravensbrücker Beispiel für die entrückte Legende einer "roten" Heiligen ist die Geschichte der Kommunistin OLGA BENARIO-STEFAN HERMLIN 1951 ebenso wie von RUTH WERNER (d.i. URSULA KUCZYNSKI) 1961, die beide waren selbst Kommunisten jüdischer Herkunft ihr eine literarische Biographie widmeten. OLGA BENARIO, Tochter aus bürgerlichem Hause in München, Berufsrevolutionärin, wurde nach der mißlungenen Revolte gegen die Diktatur in Brasilien 1935 nach Deutschland ausgeliefert, gelangte nach Gefängnis und KZ Lichtenburg im Frühjahr 1939 in das KZ Ravensbrück, wurde Blockälteste im "Judenblock", ging dort mehrmals in den Bunker und wurde schließlich 1942 zur Vergasung nach Bernburg deportiert. Ihr selbstloses Verhalten, ihr Engagement für die jüdischen Häftlinge in Ravensbrück und ihr stolzer Gang in die Selektion lieferten den Stoff zur Geschichte einer politischen Märtyrerin. Vermutlich gestaltete Lammert in seiner Skulptur der "Tragenden" den dramatischen Rettungsversuch eines Häftlings durch OLGA BENARIO im Lager.
Bei "www.topographie.de" fand ich zwei Bilder:
http://www.topographie.de/gedenkstaettenforum/uebersicht/8_02.gif |
http://www.topographie.de/gedenkstaettenforum/uebersicht/8_01.gif |
Das Schwule Museum (vgl Surftipp 16/2000) zeigte vor einem Jahr eine Ausstellung Zur Verfolgung der homosexuellen Männer in der Reichshauptstadt Berlin 1933 - 1945, in der Lichtenburg auch als Lager für Homosexuelle erwähnt wird.
Professor WOLFGANG BENZ schreibt in einer Presseerklärung der TU Berlin:
Im Rahmen eines neuen Projektes des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin sollen als erster Schritt auf dem Weg zu einer Gesamtgeschichte der Konzentrationslager die unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtübernahme eingerichteten frühen KZ untersucht und dargestellt werden. Obwohl die meisten der etwa 100 frühen Konzentrationslager - von den wichtigen Ausnahmen Dachau, Sachsenburg und Lichtenburg abgesehen - nach wenigen Monaten aufgelöst wurden, stellten sie einen wesentlichen Schritt zur Stabilisierung des NS-Regimes dar. In den frühen Lagern wurden die tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Gegner des Regimes, vor allem Sozialdemokraten und Kommunisten, inhaftiert und waren der Willkür von SA, SS, Polizei und Hilfspolizei ausgesetzt. Im Sommer 1933 waren mehr als 26000 Menschen in derartigen Lagern inhaftiert.
Weitere Links:
Am 30. Mai 1997 besuchte ich eine andere KZ-Gedenkstätte bei einem ähnlich prominenten Gebäude, nämlich der Wewelsburg bei Büren (bei Paderborn).
Adresse
Kreismuseum Wewelsburg
Burgwall 19
33142 Büren-Wewelsburg
Telefon: (0049)-(0)2955-7622-0
Telefax: (0049)-(0)2955-7622-22
E-Mail: Kreismuseum.Wewelsburg@t-online.de
Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag 10 - 17 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertage 10 - 18 Uhr
Eintritt für die Dokumentation "Wewelsburg 1933-1945":
frei
Das Kreismuseum Wewelsburg besteht aus dem Historischen Museum des Hochstifts Paderborn in der Wewelsburg und den beiden zeitgeschichtlichen Abteilungen "Wewelsburg 1933 - 1945. Kult- und Terrorstätte der SS" sowie "Deutsche im östlichen Mitteleuropa. Kultur - Vertreibung - Integration. Meseritz/ Miedzyrzecz - Paderborn - Schwerin a. d. Warthe/ Skwierzyna" im ehemaligen SS-Wachgebäude am Burgvorplatz.
Beides habe ich mir angesehen, zunächst die Dokumentation Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte im ehemaligen Wachgebäude, das die SS errichten ließ. Die SS hatte Großes mit der Wewelsburg vor, eine Art Vatikan sollte entstehen. Wahrscheinlich war man besonders von der ungewöhnlichen Dreiecksform angetan.
Die Wewelsburg, ein Weserrenaissance-Schloß, auf einem bewaldeten Bergsporn im gleichnamigen Dorf gelegen, stellt mit ihrem dreieckigen Grundriß und ihren drei Rundtürmen die einzige Anlage dieser Art aus vorbarocker Zeit dar. Der Paderborner Fürstbischof DIETRICH VON FÜRSTENBERG ließ sie 1603-1609 als Nebenresidenz errichten. Ihre Ursprünge reichen jedoch über Vorgängerbauten bis zu einer Wallanlage ungeklärten Alters zurück. Im Zuge der Säkularisierung ging die Wewelsburg 1802 an den preußischen Staat über, der sie verfallen ließ, was sich durchaus mit einem Votum KARL-FRIEDRICH SCHINKELs [vgl. Surftipp 13/2001] vertrug, der 1833 "die Erhaltung mindestens der Ruine" gefordert hatte.
Ostwestfalen-Lippe: Die Museen. Ein Führer durch eine lebendige Kulturlandschaft, herausgegeben von CLAUDIA und VOLKER RODEKAMP. Hermann Hermes Verlag GmbH Warburg 1994, S. 41
http://www.ns-gedenkstaetten.de/nrw/de/wewelsburg/besucherinfo/img/15.jpg |
http://www.ns-gedenkstaetten.de/nrw/de/wewelsburg/besucherinfo/img/14.jpg |
Nach der Machtergreifung waren die Voraussetzungen, sich dieses Gebäude anzueignen, natürlich günstig. Aber der Kreis Büren hatte warum auch immer einen Vertragsentwurf vorgelegt, der in § 11 bestimmte:
"Das Mietverhältnis erlischt:...
3. wenn die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei erlischt oder durch ein Gesetz, welches für den Vermieter räumliche Geltung hat, verboten wird."
Katalog, S. 180
Die SS hielt das für eine empörende Beleidigung. Deshalb wurde die Bestimmung durch Erläuterungen abgemildert:
"§12 Ende des Vertragsverhältnisses.
"Das Mietverhältnis erlischt:...
3. wenn die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei erlischt oder durch ein Gesetz, welches für den Vermieter räumliche Geltung hat, verboten wird.
Hat dieses Gesetz aber nur den Zweck der Tarnung oder Namensänderung, insbesondere aus außenpolitischen Gründen, oder der Überleitung der NSDAP auf das Deutsche Reich, dann hat der Mieter im Einvernehmen mit dem Vermieter diesen Vertrag auf den ihn ablösenden Ersatzmann von gleicher wirtschaftlicher Sicherheit zu übertragen."
Katalog, S. 181
Eine interne Beurteilung ist mir besonders aufgefallen ist. Hier der Text:
Gemäss Ziffer 16) des Befehls RFSS, SS-Personalkanzlei, Tgb.Nr. 428/37 Schm./Bü. vom 15.9.37 gibt die 78. SS-Standarte nachfolgende Beurteilung über SS-Sturmbannführer HAAS: SS-Sturmbannführer HAAS ist als Führer eines Sturmbannes im allgemeinen geeignet. Es hat sich jedoch erwiesen, dass er in der Führung eines ländlichen Sturmbannes besser ist. Seine Verwendung in höheren Stäben oder überhaupt höheren Dienststellen ist nicht gegeben. Bei den wachsenden Anforderungen, die an einen SS-Führer gestellt werden müssen, wird jedoch in späterer Zeit auch seine Belastung in der jetzigen Dienststellung in Frage gestellt sein. Sein Können liegt im besonderen in der Beherrschung der Kommando-Sprache sowie im Exerzierdienst; sein Auftreten führt leicht zu einer Überschätzung seiner Person und seines Könnens." Katalog, S. 333 |
Diese Flasche wurde aber später sogar befördert, vielleicht wegen der Beherrschung der Kommandosprache, denn 1941-43 war er Kommandant des KZs Niederhagen und 1943/44 Kommandant des KZ Bergen Belsen.
Das KZ Niederhagen mit bis zu 600 Häftlingen diente hauptsächlich dem Ausbau der Wewelsburg. Der SS genügte die Burg nämlich nicht, sondern man plante eine gigantische Anlage drumherum. Dazu brauchte man Material und Arbeitskräfte. Letztlich scheiterte der Plan wohl am Material, aber die Arbeitskräfte standen durch das KZ zu Verfügung.
Die Häftlinge "ersetzten" den Reichsarbeitsdienst, der zum Bau des Westwalls in die Eifel verlegt wurde. Zunächst waren hauptsächlich "Berufsverbrecher" (grüner Winkel) untergebracht, aber nach Ausbrüchen und vor allem, als wieder gefaßte standrechtlich hingerichtet worden waren. Das hatte in der Bevölkerung Kritik gefunden, so daß man die Häftlinge durch "Bibelforscher" (violetter Winkel) ersetzte, die bekanntlich nicht ausbrachen.
Es soll nicht der Eindruck entstehen, die Bevölkerung habe Widerstand geleistet, aber manches ging den gläubigen Katholiken doch zu weit, z.B. diese Hinrichtungen. Antisemitismus kam besser an. Bei einem Maiumzug wurde ein Wagen mit Esel und Ziege gezeigt, Motto "Miesmacher und Meckerer nach Palästina".
SS-Ausbaupläne für die Wewelsburg (das kleine
Dreieck im Zentrum)
Die Eindrücke aus der Ausstellung beeinflußten mich, dem WDR einen Brief wegen eines Berichts in der Lokalzeit Aachen zu schreiben, in dem eine Dokumentation über die Verfolgung der Zeugen Jehovas, die von diesen selbst erstellt worden war, heruntergemacht wurde, ohne Gründe vorzubringen. Der Brief ist in der Rubrik "Ärgernisse" nachzulesen.
Wegen ihrer "mythologischen" Bedeutung wird die Wewelsburg wird in RÜDIGER SÜNNERs Dokumentation "SCHWARZE SONNE: Mythologische Hintergründe des Nationalsozialismus" (WDR und ARTE 1997) besonders erwähnt. In DIETMAR HECHTs Vortrag "Christenkreuz und Schwarze Sonne" - Ein Defizit Ahlener Erinnerungskultur wird diese Bedeutung möglicherweise am ausführlichsten im WWW dargestellt, jedenfalls ausführlicher als auf RÜDIGER SÜNNERs Homepage, von der ich aber den Link habe.
Die Symbolik der Wewelsburg - eine Begegnung mit dem Fremden in uns
Die Schwarze Sonne als Ziffernblatt von Armbanduhren ist bei Rechtsradikalen beliebt, wie MICHAEL WEISFELD 1998 für Radio Bremen und Deutschlandradio Berlin herausgefunden hat: Die schwarze Sonne - Von Heidengöttern und Rasse-Mythen Eine andere Dokumentation wird auf der World Socialist Web Site besprochen: Nazism and the myth of the "master-race". Britain's Channel Four Secret History documentary on "Hitler's search for the Holy Grail" By PETER REYDT, 23 September 1999
Die Sonnenwart zeigt in "Kulturdenkmäler - Die Wewelsburg in Westfalen (Brief 7 / Heuert 1998)" einen alten Holzschnitt mit einer Abbildung der Wewelsburg. In einer Sammelrezension von KARIN ORTH für den Newsletter 15 des Fritz-Bauer-Instituts wird auch der in der Gedenkstätte verkaufte Katalog Ohne Erwähnung der Wewelsburg (außer in Meta-Tags) fand ich das "Schema der Unterstellungsverhältnisse der Lager und Haftstätten unter dem Reichsführer-SS" |
Katalog zur Ausstellung |
Der Zeuge Jehovas MAX HOLLWEG war im KZ Niederhagen und hat seine Erlebnisse unter dem Titel "Es ist unmöglich von dem zu schweigen, was ich erlebt habe. Zivilcourage im Dritten Reich" veröffentlicht. In der Lippische Rundschau vom 9. Oktober 1997 berichtete SABINE LUDWIG darüber.
Die Zeugen Jehovas sind politisch wesentlich weniger aktiv als etwa Katholiken, Protestanten oder Scientologen. Entsprechend können sie eher als Verfolgte des Naziregimes gelten denn als Widerstandskämpfer, was Ihnen an einer Fundstelle vorgeworfen wird. Außerdem fand ich dort viele Beweise für falsche (nicht eingetretene) Prophezeiungen.
"Widerstand" durch den Bau von SS-Kultstätte
Die WTG [Wachtturmgesellschaft, N.S.] ]versucht verzweifelt, die in den Konzentrationslagern der Nazizeit umgekommenen Zeugen Jehovas als die einzig standhaften Christen darzustellen, die gegenüber dem Nazi-Regime Widerstand geleistet haben. Dazu wurden zahlreiche Veranstaltungen organisiert, die bevorzugt in KZ-Gedenkstätten stattfanden und den Titel trugen "Widerstand aus christlicher Überzeugung - Jehovas Zeugen im Nationalsozialismus". Ständige Begleiter dieser Promotion-Tour waren mehrere amerikanische Historiker, die von der WTG eingeladen waren und als Gegenleistung für beste Verpflegung und wochenlange Unterbringung in den besten Häusern für eine angemessene Gage Wachtturm-konforme Statements von sich gaben.
Eine der Veranstaltungen fand in der KZ-Gedenkstätte in Wewelsburg statt. Die Mitarbeiter des sogenannten Informationsdienstes der WTG, MICHAEL JAHN und MIKE ALBIEN, schrieben darüber einen Bericht, der ganz im Sinne der WTG war. Stolz schickten sie ihr Werk an alle, die an einer "objektiven" Brichterstattung interessiert waren. Auch an InfoLink.
Doch was sich auf den ersten Blick wie ein klassisches Public-Relations-Dokument liest, enthält bei näherem Hinsehen einige Punkte, die für die WTG höchst peinlich sind. Grund genug für die PR-Abteilung in Selters, die Autoren aufzufordern, ihren Bericht umgehend zurückzuziehen.
Hier ein Auszug:
Zum Beispiel waren in den 30er Jahren anfangs hauptsächlich sog. "Berufsverbrecher" (BV-Häftlinge, "befristete Vorbeugehaft") in Wewelsburg inhaftiert. Da diese jedoch durch Fluchtversuche in der umliegenden Gegend für Unruhe sorgten (ein Flüchtling wurde im Dorf von der SS erschossen), wurde die gesamte Lagerbesatzung (auf Befehl des Reichsführers SS, HEINRICH HIMMLER) durch Zeugen Jehovas ersetzt, weil die SS wußte, daß die Zeugen niemals Fluchtversuche unternehmen würden. Sie wurden vielmehr als tüchtige und zuverlässige Arbeiter geschätzt. Da Himmler die Wewelsburg als Kultstätte der SS ausbauen wollte, waren die Handwerker unter den Zeugen Jehovas besonders "wertvoll" für dieses Konzentrationslager.
So waren sie also, die christlichen Widerstandkämpfer. Besonders tüchtig und damit besonders wertvoll für die Ziele der SS-Führung. Außerdem dachten sie in ihrem kämpferischen Geist nicht im Entferntesten daran, die Flucht zu ergreifen. Statt dessen setzten sie ihre ganze Schaffenskraft ein, um den selbsternannten Herrenmenschen eine Kultstätte zu bauen, die auf Ewigkeit von den kühnen Taten der SS künden sollte.
Mit anderen Worten: Die Wewelsburg ist ein treffendes Beispiel dafür, daß es mit dem Widerstand der Zeugen Jehovas im Dritten Reich offensichtlich nicht allzu weit her war. Bei allem Respekt vor den Opfern, aber sie waren nicht die einzigen Christen, die geschlossen gegen den Nationalsozialismus Widerstand leisteten, sondern lediglich eine religiöse Minderheit, die von ihrer Führung rücksichtslos in die Konzentrationslager getrieben worden war. Eine Führung, die weit weniger kompromißlos in ihrer Haltung war, als sie es von ihren Gläubigen erwartete.
Infolink nennt viele Beispiele für die These, daß die Organisation "ihren Mitgliedern Neutralität predigt, selbst aber zu jedem Kompromiss bereit ist, wenn er ihren eigenen materiellen Interessen dient."
Die Taz berichtete am 25.11.2000 über eine Dokumentation, die heutige Nazis an der Wewelsburg zeigt: Bremer Enkel der SS auf großer Fahrt Der Journalist MICHAEL WEISFELD reiste mit Rechtsradikalen zu den Kultstätten der Neo-Nazis / Diskussion in Bremerhaven
Die Antifaschistischen Nachrichten 2/1999 berichten:
Brilon-Wewelsburg. Ihr 4. Herbstseminar führte Mitte November die »Junge Landsmannschaft Ostpreußen« in NRW und die »Arbeitsgemeinschaft Junge Generation im Bund der Vertriebenen« in Brilon-Wewelsburg durch. Unter dem Titel »Mehr sein als scheinen - preußischer Geist und preußische Geschichte« diskutierten etwa 45 Teilnehmer »über Preußen und damit verbundene aktuelle Themen«.
Dabei sollten »Vorträge zur Geschichte Preußens sowie zu einzelnen bekannten Personen den Blick auf das lenken, was umgangssprachlich als 'Preußische Werte' bzw. 'preußische Geisteshaltung' als Basis für das Leben im heutigen Deutschland dienen kann«, heißt es in einer Beschreibung des Seminars. Neben Dr. WINFRIED KNÖRZER, 1996 Sprecher des Konziliums der »Freien Deutschen Sommerakademie«, einer ursprünglich aus Leserkreisen des Wochenblattes »Junge Freiheit« entstandenen Einrichtung, referierte auch Dr. HEINRICH PIEBROCK aus Brilon. PIEBROCK sprach bei den Nachwuchs-»Vertriebenen« über »WALTER FLEX, ein Leitbild der deutschen Jugendbewegung«. PIEBROCK trat in den vergangenen Jahren mehrfach als Referent auf der mittlerweile verbotenenen »Hetendorfer Tagungswoche« auf. 1995 sprach er bei der rassistischen »Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung« um den Neonazi-Anwalt JÜRGEN RIEGER über die Grundaussagen OSWALD SPENGLERs, eines Vordenkers des National«sozialismus«. Für die neofaschistische Zeitschrift »Recht und Wahrheit« des wegen »Volksverhetzung« verurteilten GEORG ALBERT BOSSE (Wolfsburg) übersetzte PIEBROCK Ende 1996 Beiträge aus verschiedenen amerikanischen und kanadischen Zeitungen.
hma
Soviel zum Preußenjahr. Der Bericht wäre ernster zu nehmen, wenn er das Geschehen nach Büren-Wewelsburg verlegte.
Die zweite Ausstellung ist im Keller des Dokumentationszentrums untergebracht: Deutsche im östlichen Mitteleuropa. Kultur - Vertreibung - Integration. Meseritz / Miedzyrzecz - Paderborn - Schwerin / Warthe / Skwierzyna, und entspringt der selbstauferlegten Patenschaft Paderborns für diese ehemalige deutsche Gebietskörperschaft. Sie ist aber nicht revanchistisch oder wehleidig, sondern nutzt anscheinend die besten Fähigkeiten von Fachleuten (Historikern) und persönlich betroffene Laien (Vertriebenen oder Geflohenen), um die Geschichte des Ortes frei von nationalistischen Ressentiments aber lebendig und anschaulich zu erzählen. Dazu trägt vor allem ein Stadtmodell bei, das mir sehr gut gefallen hat und das ich fotografiert habe. Meseritz war eine Kleinstadt mit Bahn- und Wasserstraßenanschluß. Viele Bachläufe könnten zu Wanderungen oder Radfahrten einladen. Glaubensrichtungen waren zahlreich vertreten, ihre Friedhöfe aber getrennt (aber in der Nähe des Krankenhauses - wie praktisch).
Der Fortschritt vollzog sich hier zwar langsam aber stetig, was z.B. die rechtliche Stellung der Juden anbelangt. Diese Entwicklung brach 1933 ab und die Ausstellung verschweigt nicht, daß die Deutschen selbst schuld sind, daß sie dort heute nicht mehr leben. In die NS-Vernichtungspolitik gegenüber "lebensunwertem Leben" war die ehemalige Provinzialirrenanstalt einbezogen. 1943 wurden bis zu 100 Patienten pro Woche getötet. Auch die deutsche Politik gegenüber Polen wird angemessen beschrieben
In der Burg ist das der gesamten Geschichte gewidmete Heimatmuseum und eine Jugendherberge untergebracht.
Ob LAURENZ MEYER stolz auf diese Gedenkstätten ist? Oder darauf, daß ihre Gegner künftig vielleicht seine Partei wählen, weil er stolz ist, ein Deutscher zu sein? Ich glaube schon, daß er denken kann, wenn er darf (unten gibt's ein Beispiel), aber danach ist er leider nicht gefragt worden (und zur CDU-Leitkultur gehört Denken auch nicht).
Am 31.8. und 1.9.1996 wurde im Daimler-Benz-LKW-Werk Wörth der 100. Geburtstag des LKWs gefeiert. Ich habe noch einen großen Stapel Fotos von diesem Ereignis hier liegen, die ich immer schon nach Herstellern in Alben einordnen wollte. Daß das noch nicht geschah, mag inzwischen ein Vorteil sein, so könnte ich zuvor mal eine Auswahl einscannen. Das hat aber keine Priorität. Nur diesen Nachbau des ersten LKWs möchte ich schon zeigen, weil ich gestern (6.4.) das nebenstehende Plakat von 1897 fand, das für den LKW u.a. mit dem aktuellen Argument wirbt: "Er kriegt nicht Maul= noch Klauenseuch" Daß der LKW mit der Möglichkeit der Viehtransporte über große Entfernungen ein Jahrhundert später ebenfalls zur Verbreitung von MKS beiträgt, ahnte man wohl noch nicht. Das Plakat ist auf der Unterseite der Verpackung eines Modells abgebildet, das am Stand der Nachfolgefirma bei der Technoclassica in Essen verkauft wurde. Da war ich am Freitag (5.4.) Erstmals hatten die "Queerlenker (wirklich mit "ee"), ein Verein schwuler Aachener Oldtimersammler, einen Stand. Was sollen Männer in Aachen auch sonst machen, Frauen gibt es hier schließlich nicht. Die Jungs standen allerdings etwas schüchtern rum oder versteckten sich in einem alten Wohnwagen. Ihren Stand hatten sie mit einer Hochzeitsszene geschmückt. Auf ihrer Homepage behaupten sie: "Nur ein Klick trennt euch noch von alten Autos und rassigen Männern. Oder war's umgekehrt?" |
Das Daimler-Plakat brachte mich auf die Idee, im von mir gern herangezogenen Meyers Konversationslexikon (5. Auflage) nachzusehen. In der Tat informiert es auch über die Maul- und Klauenseuche. Massenschlachtungen scheinen Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht üblich gewesen zu sein:
Das Wiederverschwinden der Krankheitserscheinungen kann in 8-14 Tagen erfolgen; die Tiere magern jedoch, wegen der Schmerzen und (bei der Maulseuche) der behinderten Nahrungsaufnahme, ab, was besonders bei Mastvieh sehr erheblich ist, und bei Milchkühen ist die Milch verändert und verringert... Bei diesen langwierigeren Formen sind die Verluste an Körpergewicht, bes. Milch entsprechend größer, nicht selten müssen die Tiere geschlachtet werden; tödlicher Ausgang der Krankheit selbst ist jedoch in der Regel nicht häufig (höchstens 1 Proz.)...
Die M. hat schon im ganzen vorigen Jahrhundert [1701-1800, N.S.] durch zahlreiche Epidemien die öffentliche und behördliche Aufmerksamkeit in den europäischen Staaten erregt. Auch vom Anfang unseres Jahrhunderts [1801-1900, N.S.] ab herrschte sie häufig...
Die bei dieser Epidemie entstandenen Belästigungen und Verluste waren außerordentlich große, denn wenn auch in der Regel nur verhältnismäßig wenige Tiere sterben, so erleiden alle erkrankten eine starke Einbuße ihres Wertes und ihrer Nutzung...
Originellerweise war eine der Gegenmaßnahmen "Fahren der Tiere auf Wagen, um die Verunreinigung der Wege zu hindern". Die Impfung war noch nicht entwickelt, aber mit einer fälschlich "Impfung" genannten Maßnahme ging man so gegen die Seuche vor:
Weil nämlich nach Ausbruch der Seuche in einem Rinderstalle die noch gesunden Tiere in der Regel doch nicht mehr vor der Ansteckung zu retten sind, und weil es wirtschaftlich vorteilhaft ist, daß dann möglichst alle Rinder gleichzeitig erkranken, damit die wirtschaftlichen und polizeilichen Belästigungen während der Seuchendauer möglichst rasch ihr Ende finden, streicht man den noch gesunden Tieren Maulspeichel der kranken ins Maul, damit sie bald erkranken. Das Gesetz sieht sogar eine polizeiliche Anordnung dieses Verfahrens vor, weil mit der Abkürzung der Seuchendauer sich auch die Verschleppungsgefahr für die Nachbarschaft vermindert.
Meyers Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens.
Fünfte, gänzlich neubearbeitete Auflage...
Elfter Band. Langenbeck bis Mauri
Leipzig und Wien. Bibliographisches Institut 1896
S. 1068 ff
Den vierspaltigen Artikel habe ich eingescannt.
Die Christ Church Gallery in Oxford zeigt auf ihrer Homepage ANNIBALE CARRACCIs Gemälde "Der Fleischerladen". In Art, Heft 4/2001, S. 85-89 ist eine Besprechung von ROSE-MARIE und RAINER HAGEN.
http://www.chch.ox.ac.uk/gallery/painters/pix/butch.jpg
Am 25. März berichtete die VPRO in ihrer Hörfunksendereihe "onvoltooid verleden tijd" über "de geschiedenis van de veeartsenijkunde in Nederland en de invloed van de veeartsen op besmettelijke ziekten". Der gesamte Beitrag ist als Real-Audio-Stream anzuhören (was ich aber nicht versucht habe, da ich es bei der Ausstrahlung im Radio schon gehört habe). Die Veterinärmedizin war zunächst keine Wissenschaft, sondern wurde von erfahrenen Amateuren (ähnlich Badern in der Humanmedizin) ausgeübt. Die Verschulung und Verstaatlichung (bis hin zu Uniformen) brachte den Tierärzten höheres Ansehen. Dazu trug auch eine MKS-Epidemie zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei.
weitere Links:
Am Mittwoch (3.4.) besuchte ich die Intermodellbau in Essen. Was ich dort mit dem Postmuseumsshop erlebte, berichte ich in der Rubrik Ärgernisse.
Am 29.3. besuchte ich in Bonn die Ausstellung Gold aus Sipán in der Bundeskunsthalle. Sie wird nur hier außerhalb Südamerikas gezeigt und behandelt eine nichtschriftliche Hochkultur in Equador. Zu deren Zeit war dort dreimal so viel Land bewässert wie heute. Kanäle mit nur 1 Prozent Gefälle sorgten dafür, die heute trocken sind und noch als Wege dienen. Aus den Funden weiß man zwar einiges über die Gebräuche der "Motsche", aber weitere Funde können das noch revidieren. So mußte z.B. die Annahme, auf Kannen abgebildete Figuren stellten Gätter dar, revidiert werden, als man Grabbeigaben fanden, die genau so aussahen. Nun meint man, es sei Schmuck für rituelle Feiern, bei denen das Blut von Feinden dem Priester (?) als Getränk gereicht wurde. Die Ausstellung war wie immer gut gemacht, die Exponate wurden optimal angestrahlt, die Beschriftungen verrieten durchaus mehr als das Nötigste, aber an drei Stellen fiel mir der gleiche leicht zu behebende Mangel auf: Gegenstände, deren Rückseite auch gestaltet war und worauf die Beschriftung auch hinwies, waren nur von vorne zu sehen. Dabei hätte man das leicht mit einem Spiegel ändern können. Schade, aber insgesamt fällt dieser Mangel nicht ins Gewicht, sondern zeigt nur, daß auch in einer hervorragenden Ausstellung noch etwas verbessert werden kann. |
http://www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/sipan/p/postkarte2.jpg |
Bei der Gelegenheit traf ich eine Lehrerin, die ich während meiner Referendarzeit kennengelernt hatte und die nun mit KollegInnen auch anderer Schulen die Ausstellung besuchte. Früher war es fast unmöglich, sich mit ihr zu verabreden, weil LehrerInnen den einzigen Beruf haben, bei dem die Arbeit immer mehr wird: mehr SchülerInnen, mehr Stunden. Außerdem können sie nicht einfach die Auslieferung einer Klassenarbeit oder Klausur verschieben wie die Telekom die Auslieferung der DSL-Hardware (die ich schon längst hätte bekommen sollen). Jedenfalls finde ich diesen Berufsstand nicht beneidenswert und nur ein populistischer Heini wie der damalige niedersächsische Ministerpräsident kann sie als "faule Säcke" bezeichnen. Der hält sich vielleicht für den einzigen Fleißigen, denn nun droht er auch den Arbeitslosen, sie hätten kein Recht auf Faulheit. Da ist sogar LAURENZ MEYER vernünftiger, der in "Berlin direkt" klarstellte, jede(r) habe ein Recht auf Faulheit, nur nicht darauf, sie bezahlt zu bekommen.
Übrigens sind Eltern auch sehr schwierig. Ich wollte mit einem nun getrennt leben müssenden Vater die Ausstellung besuchen, der hat aber so lange (etwa 2 Monate) die Verabredung verschoben, daß ich nun allein dort war (Gelegenheit dazu ist bis zum 29.4.2001, dienstags-donnerstags sogar bis 21 Uhr) und inzwischen die Ausstellungen über Mißwahlen und über den Karikaturisten FRITZ BEHRENDT im Haus der Geschichte, die ich gerne gesehen hätte, schon wieder abgebaut sind. Wenn das Bundesverfassungsgericht Kinderlose bei der Pflegeversicherung dafür bestrafen will, sollte auch mal jemand fragen, wer Elternteile dafür bestraft, daß ihre Brut kriminell fährt und Straftaten begeht (ohne Jugendliche keine Jugendkriminalität) und daß sie selbst keine Verabredungen einhalten. Außerdem: Werden diejenigen, die sich in den 50er Jahren so stark vermehrten, auch für die hohe Arbeitslosigkeit seit den 80ern bestraft, die wohl auch manchen den Mut zur Vermehrung genommen hat? Zu Geburtenkontrolle und Bevölkerungspolitik vgl. Surftipp 20/2000.
Links:
Hintergrundmusik: Moorsoldaten_Lied.mid
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