Dirk Fischer, der Fall Mehdorn und der Umgang mit Bürgerfragen
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Bürger fragen - Politiker geben Auskunft
Politiker fragen - Mehdorn antwortet
Bahn vs. Capital
Bahn verweigert Auschwitz-Erinnern
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... und den gleich zu Anfang
27.1.2006, gegen 10:30. In der Sendereihe "Klassik, Pop, et cetera" erzählt DIETER HILDEBRANDT von seinen Erlebnissen in einem Bahnhof.
Auch wenn ich HILDEBRANDTs Schilderung etwas wirr finde, gebe ich mir daraufhin einen Ruck, beschließe, ihm dabei zu helfen und verfasse dieses Ärgernis, das ich schon länger zu veröffentlichen beabsichtigte.
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Es muß wohl nach einem unkritischen "Interview der Woche" mit HARMUT MEHDORN gewesen sein, als ich mich daran erinnerte, daß mal "Report" über einen Mitarbeiter des Eisenbahn-Bundesamtes berichtete, der nach einem kritischen Vortrag versetzt wurde, und daß ich danach nichts mehr davon erfahren habe. Mit einiger Mühe fand ich bei der Netzrecherche heraus, daß es ein Beitrag in der SWR-Ausgabe von "Report" war (es gibt ja auch das gleichnamige Magazin des BR), der aber nicht mehr online war. Wohl konnte man sich den Text schicken lassen, was ich auch gleich machte. Das scheint beim SWR-Report allgemein so praktiziert zu werden, da man die alten Beiträge nicht mehr für aktuell hält.
Ich fasse kurz zusammen, was
damals berichtete.
Nun kommt die entscheidende Passage, die mich hoffen ließ, noch zu erfahren, was danach passierte. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, DIRK FISCHER, wurde zum Fall interviewt und sagte:
Dies sei ein Thema für den Verkehrsausschuß des Bundestages, soll er noch angekündigt haben, aber das berichtete die Sendung nicht im O-Ton.
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Am 16.10.2002 schreibe ich dem Politiker, der sich damals so mutig geäußert hatte:
Sehr geehrter Herr Fischer,
wie ich jetzt noch mal aus der Report-Sendung vom 20.11.2000 erfuhr, haben Sie sich im Fall des EBA-Beamten Walter Kripgans um Aufklärung bemüht, der nach Kritik an der Sicherheit der Bahn und einem Schreiben Mehdorns an das EBA strafversetzt worden war.
Ich habe die Sendung zwar damals gesehen, aber längst vergessen, daß Sie damit zu tun hatten (auch den Namen Kripgans hatte ich vergessen), aber da der Bericht noch online verfügbar ist, konnte ich ihn nochmal lesen, und diese Möglichkeit erlaubt mir, Sie zu fragen, was denn inzwischen in dieser Angelegenheit geschehen ist.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schnitzler
Als Antwort bekam ich von RITA WILLMS am 31.10.2002 mit angehängter Wordpad-Datei dieses Brief eines anderen Mitarbeiters, PETER JUNNE:
Sehr geehrter Herr Schnitzler,
[Als erstes beachten: Immer freundlich sein, für bisher vom Gegenüber erbrachte Leistungen danken, also z.B. bei Call-Centern, dem Kunden für den Kauf des Produktes danken, bei Bewerbungen für telefonisch vorher gegebene Auskünfte usw.] für Ihre Zuschrift zur Frage der Sicherheit bei der Bahn danke ich Ihnen.
[Jetzt kommen die Fakten, mit denen man beweist, daß das Anliegen verstanden wurde:] Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen, mit denen auch der Name Kripgans verbunden ist, wurden gegen Ende des Jahres 2000 im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen des Deutschen Bundestages behandelt.
Dabei hat auch der Präsident des Eisenbahn Bundesamtes, Herr Stuchly, einen Bericht erstattet, der von den Mitgliedern des Ausschusses, und damit der Politik, offiziell zur Kenntnis genommen wurde.
[Jetzt soll das Ergebnis kommen, an dem der Empfänger interessiert ist - kommt aber nicht:] Damit wurde diese interne Angelegenheit des EBA abgeschlossen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Junne
Das war zwar eine Antwort, aber eigentlich doch keine. Ich bin vielleicht selbst schuld, denn ich hatte ja gefragt, "was denn inzwischen in dieser Angelegenheit geschehen ist". Das ist, wie wenn ich frage "Kann mir jemand sagen, wie spät es ist?" und zur Antwort bekomme "Ja, ich!".
Insbesondere erfuhr ich nicht,
Die Antwort läßt ebenfalls offen,
Immerhin ist Herr KRIPGANS offenbar wieder in Hamburg, das Eisenbahn-Bundesamt führt ihn im Sachbereich 4, "Aufsicht über den Eisenbahnbetrieb, Überwachung von Gefahrguttransporten, Unfalluntersuchung" auf.
Mir scheint der Briefwechsel symptomatisch für den Umgang der Politik mit dem Volk, von dem angeblich alle Gewalt ausgeht. Diejenigen, die später WOLFGANG CLEMENTs Aufforderungen, ihn anzurufen, folgten, haben ähnliche Erfahrungen machen können.
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Ende September 2004 kommt es zum Konflikt zwischen HARTMUT MEHDORN und dem Bundestag, nachdem der Bahnmanager pauschal Verkehrspolitiker angegriffen hatte.
...der Bundeskanzler ... blies kurzerhand den Lieblingsplan seines Duzfreundes MEHDORN ab: den Börsengang der Bahn schon in eineinhalb Jahren im Frühjahr 2006. Nicht direkt, sondern über einen anderen Vertrauten, Bahn-Aufsichtsratschef MICHAEL FRENZEL, ließ er mitteilen, dieses Datum sei "nicht realistisch".
Dass es dazu kam, hat MEHDORN selbst zu verantworten: Brandherd um Brandherd hatte er entfacht, den endgültigen Bruch mit den Verkehrspolitikern des Bundestages vollzogen, sich mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie überworfen, mit der Preiserhöhungs-Ankündigung das Image des Konzerns nachhaltig geschädigt und so Unmut bei den Beschäftigten und wachsenden Widerstand der Bahn-Gewerkschaften und Fahrgastverbände provoziert.
... Gestern wurde ein Brief MEHDORNs an Industrie-Präsident MICHAEL ROGOWSKI vom 29. März bekannt in dem er unter anderem den BDI-Hauptgeschäftsführer und die führenden Bundestags-Verkehrspolitiker angreift...
"Der Brief ist total inakzeptabel", sagte der - von MEHDORN nicht angesprochene - SPD-Verkehrsexperte REINHARD WEIS. "Für diese Diffamierung und Ignoranz dem Parlament gegenüber erwarte ich eine Entschuldigung und Klarstellung." MEHDORN müsse sich mit den Parlamentariern aussöhnen. "Erst dann können wir wieder mit ihm zusammenarbeiten."
Doch danach sieht es nicht aus. Die Verkehrsexperten HORST FRIEDRICH (FDP) und DIRK FISCHER (CDU) forderten gestern MEHDORNs Rücktritt, ebenso die Lokführergewerkschaft GDL, wegen der Unruhe im Konzern. ALBERT SCHMIDT (Grüne), als Koalitionsmitglied so etwas wie der Hauptfeind MEHDORNs, schloss sich dem zwar nicht an, sagte aber, das Vertrauen zwischen MEHDORN und dem Parlament sei "offensichtlich schwer gestört, wenn nicht zerstört".
Verbale EntgleisungAber MEHDORN hat auch Freunde:
Auch aus der SPD kam Kritik. Verkehrsminister MANFRED STOLPE (SPD) stellte sich wie BDI-Präsident MICHAEL ROGOWSKI und Arbeitgeberpräsident DIETER HUNDT hinter MEHDORN.
"Die Bahn ist mit MEHDORN auf einem guten Gleis", DIE WELT 23.9.2005
Bundesverkehrsminister MANFRED STOLPE (SPD) hat sich hinter den umstrittenen Bahn-Chef HARTMUT MEHDORN gestellt, ihm bei der Gelegenheit aber zwischen den Zeilen eine Mahnung auf den Weg gegeben. MEHDORN sei der "richtige Mann", den Sanierungskurs beim Staatskonzern fortzusetzen, aber: "Ich würde ihn niemals für den diplomatischen Dienst vorschlagen, da ist er wirklich ungeeignet."
Bayerns Wirtschaftsminister OTTO WIESHEU (CSU) sagte, er begrüße, dass MEHDORN "keinen Auseinandersetzungen aus dem Weg geht". Seine Prognose sei immer gewesen, dass es nicht vor 2010 zu einem Börsengang komme. Dagegen sagte die CSU-Verkehrsexpertin RENATE BLANK: "MEHDORN löst kein Problem, er ist das Problem." AvG/hl
"MEHDORN als Diplomat ungeeignet" Menschen und Märkte, DIE WELT 25.9.2005
MEHDORN war lange Zeit in der Flugzeugindustrie (1965 Focke-Wulf, 1966 - 1978 Vereinigte Flugtechnische Werke-Fokker GmbH, zuletzt Nordwerke von MBB (Messerschmidt-Bölkow-Blohm), 1979 - 1984 Airbus Industrie S.A., 1984 - 1989 MBB-Unternehmensgruppe Transport- und Verkehrsflugzeuge, 1989 - 1992 Deutsche Airbus GmbH, 1992 - 1995 Deutsche Aerospace AG) tätig, da wundert das Argument, daß damals gegen Spekulationen über einen Nachfolger vorgebracht wurde:
Bräuche in der Luftfahrt hatte MEHDORN auch für die Bahn einführen wollen - ein teurer Versuch:
Zum Halbjahr hatte die Bahn ein operatives Minus von 62 Mio. Euro ausgewiesen... Die US-Investmentbank Morgan Stanley hält einen Gewinn von 308 Mio. Euro für nötig, damit ein Börsengang im Jahr 2006 erfolgreich sein könne. Bahn-Chef Hartmut MEHDORN will trotz der schwierigen Lage daran festhalten, bis Anfang 2006 den Konzern kapitalmarktfähig zu machen.
Inzwischen können auch die Kosten des im vorigen Jahr gescheiterten Preissystems beziffert werden. Dem Vernehmen nach belaufen sich die Aufwendungen für Einführung und Abschaffung des umstrittenen Frühbucher-Modells auf rund 600 Mio. Euro. Die Kosten fielen unter anderem für externe Berater, den IT-Aufwand, Mitarbeiterschulungen sowie Marketing und Werbung an, wie die WELT erfuhr. MEHDORN hatte bis zuletzt an dem System festgehalten, mit dem die beliebte Bahncard abgeschafft und Frühbucher belohnt werden sollten. Erst auf Drängen des Bundes vollzog der Bahn-Chef im Juli vorigen Jahres eine Kehrtwende.
Bahn fährt tiefer in die roten ZahlenDer erwähnte verkehrspolitische Sprecher der Grünen enthüllte auch im DLF-Interview, daß die Bahn Fördermittel in Millionenhöhe nicht abgerufen hat.
Da die Bahn nicht nur bei Neu- und Ausbau sparte, sondern ihre Ausgaben auch bei der Erhaltung des Schienennetzes gekürzt hatte, was zu Schäden führte, über die WALTER KRIPGANS auch in seinem Vortrag berichtet hatte, schließt sich hier der Kreis. Obwohl nicht nur der Bahnchef vor den Verkehrsausschuß geladen war, sondern die Verkehrspolitiker im Ausschuß nach seinen Beleidigungen auch selbst "geladen" waren, ist HARTMUT MEHDORN nichts passiert.
Berlin - Bahn-Chef HARTMUT MEHDORN hat seinen Dauerstreit mit den Verkehrspolitikern zwar beigelegt, aber in der entscheidenden Frage zum Börsengang - mit oder ohne Netz - gibt es weiter keine Annäherung. MEHDORN räumte vor dem Bundestags-Verkehrsausschuss ein, sich gegenüber den Politikern nicht adäquat verhalten zu haben. "Sie wissen ja, dass ich manchmal etwas kantig sein kann", sagte MEHDORN laut Teilnehmern in der nichtöffentlichen Sitzung. Der Bahn-Chef regte einen "Jour Fixe" mit den Politikern an.
Eine Entschuldigung gab MEHDORN nicht ab, sie sei aber auch nicht explizit verlangt worden, sagten Teilnehmer nach der rund zweistündigen Sitzung. Allerdings habe der Ausschuss-Vorsitzende EDUARD OSWALD (CSU) den Bahn-Chef "mit deutlichen Worten" dazu aufgefordert, abwertende Äußerungen gegenüber den Parlamentariern zu unterlassen.
... MEHDORN sagte: "Manchmal ist miteinander zu reden vielleicht besser, als gleich was zu schreiben." OSWALD sprach von einem "Neuanfang" der Beziehungen.
Dem Bahn-Chef sei in der Sitzung auch klar gemacht worden, dass seine Vorstellungen von einem Bahn-Börsengang nicht denen der Abgeordneten entsprächen, sagten Teilnehmer im Anschluss. Ein Börsengang inklusive dem Schienennetz "sei nicht zu machen". Über den Zeitpunkt des Börsengangs entscheidet der Bund, über die Struktur der Bahn beim Börsengang - mit oder ohne Netz - der Bundestag. MEHDORN will das Netz wegen der Synergien mit dem Zugbetrieb an die Börse mitnehmen. Die Politiker wollen das Netz von der Bahn organisatorisch abtrennen und in Staatshand belassen, um den Wettbewerb mit anderen Eisenbahnen zu fördern. "Wenn eines Tages zehn Cargo-Gesellschaften auf dem Netz fahren, warum sollte es gerade einer davon gehören?", sagte der CDU-Verkehrsexperte DIRK FISCHER. Welches die beste Variante sei, werde demnächst in einem Gutachten geprüft. MEHDORN habe in der Sitzung "nicht klein, sondern groß beigegeben".
Der FDP-Abgeordnete HORST FRIEDRICH konfrontierte MEHDORN in der Sitzung mit einer DB-Vorstandsvorlage, wonach der Konzern gezielten Druck auf Wirtschafts- und Verkehrsverbände ausübt, damit diese einen Börsengang mit Netz unterstützen. Dem BDI hatte die Bahn kürzlich die Zuflüsse gestoppt, weil der Verband die gegenteilige Ansicht vertritt...
Zu den hohen Kosten von 600 Mio. Euro für das Mitte 2003 teilweise zurückgenommene Frühbucher-Preissystem (die WELT berichtete), hieß es von der Bahn, von diesem Geld sei "kein Cent verloren". Die im Dezember 2002 eingeführten Frühbucherrabatte wie auch die neue Bahncard mit 25 Prozent Rabatt ("BC25") verzeichne man großen Erfolg. Allein die BC25 sei rund 1,4 Mio. Mal verkauft worden und werde zu 40 Prozent mit den Rabatten genutzt.
MEHDORN gesteht Fehler im Umgang mit Parlament ein. Bahn-Chef will stärker mit Politikern kooperieren. von A. v. GERSDORFF, DIE WELT, 30.09.2004Das sieht so aus, als ob sich Politiker von manchen Leuten einfach alles gefallen lassen. Ich will aber hier nicht auf DIRK FISCHER herumhacken, der seit 1980 im Bundestag ist und wenn ich ihn sehe, eigentlich recht vernünftige Ansichten zu seinem Fachgebiet äußert, auch den einen oder anderen Skandal (Maut!) bekämpfen will, aber eben nicht viel erreicht. Aber verglichen mit anderen, etwa seinem "Parteifreund" und bis 2005 Fraktionskollegen BIETMANN (siehe Links) ist er mir noch recht sympathisch. Daß seine Antwort von einem Mitarbeiter kam, halte ich für normal und hatte ich auch erwartet. Und für die Oberflächlichkeit der Antwort kann ich mir sogar auch noch nachvollziehbare Begründungen denken. Vielleicht wäre es besser geworden, wenn ich noch mal nachgefragt hätte.
Nachtrag 1: Bahn vs. Capital |
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Das sich MEHDORNs aufbrausende und selbstherrliche Vorgehensweise nicht ändern würde, war eigentlich jedem Außenstehenden klar, bloß die Verkehrspolitiker, die ihm immer wieder eine neue Chance gaben, mögen überrascht gewesen sein, als der Bahnboss wieder mal einen Brief schrieb:
Bahnchef HARTMUT MEHDORN hatte den Verkehrsausschuss ohnehin verärgert: In einem Brief hatte er einem nicht namentlich genannten Bundestagsmitarbeiter vorgeworfen, der Presse gezielt vertrauliches Material zuzuspielen. In dem Brief bemängelt MEHDORN, dass derzeit "auffällig viele Storys" in den Medien erschienen, "in denen vertrauliche Unternehmenszahlen und -informationen ohne Sachkenntnis oder vorsätzlich verzerrend zusammengestellt und nahezu zu Verschwörungstheorien aufgebauscht" würden.
LIPPOLD [CDU-MdB und Vorsitzender des Verkehrsausschusses] nannte das Schreiben gegenüber der taz dagegen "nicht akzeptabel". Der Bahnchef könne nicht "aufgrund von Vorverurteilungen zu Verdächtigungen kommen, bei denen jeder Beleg fehlt". Der Vorstandschef der Bahn sei oft "sehr deftig und impulsiv", so LIPPOLD. Dies sei aber nicht die "Art und Weise, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten".
Bahnsprecher KLINGBERG verwies gestern gegenüber der taz dagegen auf die "sehr freundliche und verbindliche Art", in der der Brief verfasst sei. Man habe die Vorwürfe gegen den Fraktionsmitarbeiter bewusst "nicht konkret machen" wollen, sondern nur "Hinweise gegeben".
STEFFEN GRIMBERG: MEHDORN wütet gegen Presse und Politik, taz vom 10.2.2006Die angeblich der Presse verratenen Geheimnisse waren die hohen Schulden der Deutschen Bahn AG (wohl 20 Mrd. Euro). In seiner fünfseitigen Analyse "MEHDORNs Malaise" hatte das Magazin "Capital" sich auf bahninterne Dokumente berufen. Der ehemalige Bahn-Kommunikationschefs DIETER HÜNERKOCH, der offiziell nur noch als Berater der Bahn fungiert und eine eigene Firma hat, faxte darauf mit Absenderangabe "DB AG" einen Leserbrief, in dem er einen FDP-Fraktionsmitarbeiter beschuldigte, er sei
NACH Kritik an MEHDORN. Bahn storniert Anzeigen bei "Capital" Von MATTHIAS STREITZ
Das finde ich noch im Rahmen, aber dazu kam eine Form der Bestrafung des kritischen Magazins, die wirtschaftliche Macht einsetzt und wie ich meine mißbraucht. Die Mediachefin der Bahn rief an und teilte mit, daß alle bereits geplanten Anzeigen in "Capital" storniert würden. Auf eine Gegendarstellung verzichtete das Unternehmen aber:
Wächterpreisverdächtig ist das nicht. Zumal die DB AG, falls die Capital-Berichterstattung tatsächlich fehlerhaft wäre, auf dem ganz normalen Weg über das Presserecht Anspruch auf Gegendarstellung oder Berichtigung geltend machen könnte. Doch das, so Capital-Chefredakteur SCHWEINSBERG zur taz, sei Fehlanzeige: "Die Bahn hat sich in der Sache überhaupt nicht zu Wort gemeldet."
Das passt und erinnert an eine Geschichte, die vor gut zwei Jahren spielte. Und Ende 2003 war HÜNERKOCH noch richtig gut: "Ein solches Gemisch aus Ideologie, Parolen und Vorurteilen wäre von meinem Schreibtisch direkt dort gelandet, wo es hingehört", schrieb er damals als oberster Bahn-Kommunikator an das Manager Magazin. Man ahnt es schon: Es ging um eine kritische Bahn-Geschichte, für die HÜNERKOCH das schöne Wort "miserabeloberflächlich" kreierte. "Sie bewegen sich auf der Ebene von Leuten, die nicht argumentativ, sondern ideologisch unterwegs sind", durfte MM-Chefredakteur ARNO BALZER lesen: "Eine Antwort auf dieses Schreiben können Sie sich sparen." Auch damals gab es keine presserechtlichen Schritte der Bahn gegen das Blatt. Sondern einen Anzeigenboykott.
Wenn die Bahn wirklich solche Probleme mit ihren Schulden habe, wie der Capital-Fall das nahe lege, "und an dieser Stelle an Anzeigen spare müsse", so BALZER gestern zur taz, mache das natürlich schon fast wieder Sinn.
STEFFEN GRIMBERG: Die Bahn boykottiert taz vom 11.2.2006Nachtrag 2: Bahn verweigert Auschwitz-Erinnern |
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Später erfuhr ich noch, daß die Deutsche Bahn AG eine Ausstellung zu Todestransporten jüdischer Kinder nicht auf ihren Bahnhöfen zeigen will. Die französische Organisation "Fils et Filles des Deportés Juifs de France"/FFDJF (Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs) im Dezember aus Berlin zugestellt. Die Organisation hatte bereits in Frankreich eine solche Ausstellung auf Bahnhöfen gezeigt und wollte das auch in Deutschland, speziell um an das Schicksal von 11.000 bahndeportierten Kindern, die in Drancy bei Paris auf die Reise über Saarbrücken, Kaiserslautern, Mannheim, Frankfurt am Main, Fulda und Dresden nach Auschwitz geschickt wurden. In Frankreich unterstützte die Staatsbahn das Projekt:
Deutsche Bahn AG verweigert Ausstellung zu Todestransporten jüdischer Kinder
Der Deutschen Bahn AG fehlen angeblich "sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen", denn "Das Unternehmen sponsert mit viel Geld die Fußballweltmeisterschaft 2006". Stattdessen mäkelt die Abteilung "Kommunikation" der Deutschen Bahn AG am 17. Dezember 2004, die französische Ausstellung müsse umgearbeitet werden.
Schlußfolgerungen und Exkurse |
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Der Mehdorn des Arbeitsamtes, FLORIAN GERSTER, hat die Kritik an seiner Amtsführung nicht so lange überstanden. Was ist da anders gelaufen?
Vielleicht muß man sich rechtzeitig genügend Freunde schaffen, bzw. "stärker mit Politikern kooperiert". OTTO WIESHEU, der 2004 den Bahnchef gegen Kritik in Schutz nahm, hat sein Amt als bayerischer Wirtschaftsminister inzwischen aufgegeben und ist in den Bahnvorstand gewechselt, hat er doch Erfahrung mit Bussen und Bahnen, seit er mal betrunken einen Kleinwagenfahrer totgefahren hat. Vorher ist schon der brandenburgische Verkehrsminister HARTMUT MEYER Bahnberater geworden. Kontraste berichtete:
Als er noch SPD-Minister war, hat er mit der Deutschen Bahn einen Nahverkehrsvertrag unterzeichnet - ganz nach dem Geschmack von Konzernchef MEHDORN. Ein Jahr später ist HARTMUT MEYER Bahn-Berater.
Und die Bahn? Sie bekam die lukrativsten Strecken mit den meisten Fahrgästen - und das ganz ohne Ausschreibung: Die Regionalexpresszüge, die erst durch Brandenburg und dann durch die Berliner Innenstadt fahren. Hier fährt bis 2012 die Bahn exclusiv. Obendrauf kommt noch mal ein hoher Zuschuß aus der Staatskasse: 8 Euro 67 für jeden Zugkilometer. Bei einer Ausschreibung der Strecken hätte das Land etwa ein Drittel sparen können. Hat es aber nicht. Dank MEYER.
URSEL SIEBER und MATTHIAS ZUBER: Teure Beraterverträge - wie sich die Bahn AG bei hilfreichen Politikern bedankt Kontraste vom 01.04.2004.Gute Freunde hätten auch die WarnerInnen verdient, die Mißstände aufdecken. Sie werden oft "whistleblower" genannt. Schlimmer als den erwähnten Mitarbeiter des Eisenbahnbundesamtes hat es z.B. ERWIN BIXLER (deckte BfA-Manipulationen auf), MARGRIT HERBST (BSE-Skandal) oder PAUL VAN BUITENEN (Misswirtschaft in der EU-Kommission) getroffen. Sie wurden von den betroffenen Behoerden-Vertretern massiv verfolgt und verloren schliesslich ihre Arbeitsstelle. Frau HERBST war in Schleswig-Holstein Amtstierärztin und entdeckte früh Hinweise auf die Rinderseuche BSE, nämlich Kühe mit seltsamem Verhalten. Mit Beweisen dafür trat HERBST an die Öffentlichkeit, nachdem sie jahrelang versucht hatte, ihre Behörde davon zu überzeugen, daß damit nicht nur die Gesundheit der Kunden, sondern auch die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel stehen würde. Statt nun endlich auf sie zu hören, wurde sie entlassen und verklagt und sollte schließlich, als sich der Fall nicht mehr vertuschen ließ, mit dem Bundesverdienstkreuz abgespeist werden, wenn sie auf alle arbeitsrechtliche Ansprüche gegen ihre früheren Arbeitsgeber verzichtete. Sie verzichtete auf das Bundesverdienstkreuz.
Meine Ausführungen hatten mehrere Themen, was vielleicht verwirrend wirkte. Ich will es deshalb noch kurz zusammenfassen.
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Hintergrundmusik: Take_The_A_Train.mid (wurde berühmt durch OSCAR PETERSON)