Hier dokumentiere ich die Auseinandersetzung um Playboy-Werbung an Aachener Bushaltestellen. Feministinnen hatten Plakate überklebt und bemalt, ich einen Brief an das Stadtmagazin "Klenkes" geschrieben und eine anonyme Aktivistin darauf geantwortet.
Die Stellen in meinem Brief, die nicht abgedruckt wurden, habe ich kursiv formatiert.
An den
Klenkes
Oranienstraße
5100 Aachen
6.8.1987
Werte Klenkes-Redaktion!
Am 31. Juli sah ich an verschiedenen Bushaltestellen vor allem in Hanbruch übermalte oder überklebte PLAYBOY-Werbung, die allerdings heute nicht mehr besichtigt werden kann, da sie schon am folgenden Tag restauriert war. Mir scheint, diese Kampagne schießt wie die letztjährige Sommerloch-Kampagne gegen das Cafe Cumulus (vgl. Klenkes, Juni bis August 1986) weit über ihr Ziel hinaus.
Dreimal sah ich an überklebte, sonst fast immer übermalte Brüste. (Immer noch besser, als das Lächeln zu überdecken.) Über die Gründe kann ich nur spekulieren, aber es dürfte nicht schwer zu erraten sein, daß mit der Aktion männlicher Voyeurismus angegriffen werden sollte. Frauen, so wird gern argumentiert, würden durch diese Titelbilder als verfügbare Sexualobjekte dargestellt. Nun sind Männer und Frauen sexuelle Wesen, Sexualsubjekte für sich (hoffentlich) und Sexualobjekte für andere (hoffentlich). Wer nicht gelernt hat, Sexsubjekt zu sein, sieht vielleicht nur den anderen Aspekt.
Ein kleines Gedankenspiel: Was würde passieren, wenn mir die Titelfrau begegnete, mich beeindruckte und ich sie zum Sex einladen würde? Wahrscheinlich würde sie nein sagen. Ich würde einwenden, sie sei doch verfügbar, wenn sie sich so abbilden lasse. Sie würde mich auslachen (aber damit eigentlich die treffen, die das wirklich glauben). Verfügbar sind doch am ehesten graue Mäuse, aber nicht so attraktive Frauen.
Die übermalte und überklebte Werbung ist nicht frauenfeindlich oder beleidigend. Es gibt kein Argument, sie zu verhindern, das nicht mehr schaden als nutzen würde. Als nächstes würden vielleicht das Courage-Buch "Frauen sprechen über ihre Brüste" oder ein feministisches Buch mit Klitoris-Fotos verboten. Frauen sollten auch darauf achten, wer ihnen Beifall spendet. Wenn es dieselben sind, die den § 218 verschärfen wollen, ist Vorsicht geboten.1) Beleidigend finde ich allenfalls das Häschen-Symbol, das Frauen auf eine niedrigere Entwicklungsstufe stellt (auf die doch eher Männer gehören). Aber das ist eine subjektive Einschätzung, die selbst von manchen Frauen nicht geteilt wird, sah ich doch am 3.8.1987 gagen 12:29 Uhr MESZ am Elisenbrunnen im Bus der Linie 56 nach Fuchserde eine junge Frau, die PLAYBOY-Schriftzug und -Symbol groß auf ihrer Kleidung trug, offenbar, ohne sich beleidigt zu fühlen. Jedenfalls gefallen mir Anti-PLAYBOY-Autoaufkleber "Ich bin ein Playboy-Arsch" und "Nur blöde Häschen sind mir recht, 'ne kluge Frau benutzt sich schlecht" besser als die jüngsten Aktionen.2)
Dumm, äußerst dumm finde ich die Beschimpfung der PLAYBOY-Leser als "Wichser" (gesehen Am Backes). Haben die anonymen Schmiererinnen shcon vergessen, was in feministischer Literatur über Selbstbefriedigung steht?
Shere Hite nennt sie
"ein(en) Grund zum Feiern, denn Masturbation ist die am leichtesten zugängliche Quelle, um zum Orgasmus zu gelangen. Von uns befragte Frauen haben ausgesagt, sie könnten durch Masturbation innerhalb weniger Minuten orgasmen."3)
In "Hexengeflüster 2. frauen greifen zur selbsthilfe" heißt es:
"Selbstbefriedigung ist etwas Angenehmes, was wir uns selbst geben können... Wenn wir uns selbst befriedigen, so kann das ein freudiger Moment sein, genußvoll, angenehm undoder auch einfach entspannend... Manche Frauen möchten gern lernen, nur mit sich selbst sexuelle Gefühle und Befriedigung zu haben. Tu es, aber setze Dich nicht unter Druck. Tu einfach alles, was für dich angenehm ist."4)
Pat Califia schließlich rät lesbischen Frauen:
"Durch Masturbation lernen die meisten von uns erotische Gefühle kennen und entwickeln ein Modell sexueller Reaktion. Sie steht zur Verfügung, wenn Partnerinnen es nicht tun, und sie sollte nicht unterlassen werden, nur weil du eine Geliebte hast... Die zuverlässigste Auskunft über das, was uns sexuell gefällt, erhalten wir von uns selbst... Masturbieren ist ein Weg, un dein Ego zu stärken und deinen Hunger nach Sex zu stillen... Selbstbefriedigung gründet sich darauf, daß man den eigenen Körper gern genug hat, um sich zu berühren und das gute Gefühl zu genießen. Jeder Mensch verdient Vergnügen... Masturbatiob steht uns zur Verfügung, wann immer wir Zeit dafür haben... Selbstbefriedigung kann eine Energiequelle, eine Gratis-Schlaftablette, ein freudiger Ausdruck von Selbstliebe und ein einfacher Weg, deine Sexualität kennenzulernen, sein. Sie kann auch eine hastige, mit Schuldgefühlen beladene Erfahrung sein - eine letzte Rettung, wenn keine Partnerin greifbar ist, eine heimliche Aktivität, der so wenig wie möglich und immer mit gemischten Gefühlen nachzugehen ist. Der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Art der Selbstbefriedigung ist: ob wir oder ob wir nicht glauben, daß es uns zusteht, uns wohlzufühlen."5)
Wer zu diesen Texten steht und Doppelmoral ablehnt, kann eigentlich keinem Mann Selbstbefriedigung vorwerfen. Ellen Willis unterstellt Anti-Porno-Aktivistinnen (womit ich nicht behaupten will, der PLAYBOY sei pornographisch), sie
"rationalisieren eine Bewegung als Feminismus, die sich um ein Einzelziel herum geschart hat, von jedem größeren politischen Zusammenhang getrennt bleibt und ihre Wurzeln in uneingestandenen und deshalb um so gefährlicheren Moralvorstellungen hat." Das Ergebnis werde sein, "daß sich sehr viele Frauen ihrer sexuellen Gefühle schämen und Angst haben werden, offen mit ihnen umzugehen. Und mehr sexuelle Scham- und Schuldgefühle - diesmal im Gewand des Feminismus - ist wohl das letzte, was Frauen brauchen."6)
Nun mögen die Feministinnen das untereinander klären. Ich jedenfalls lasse mir den Spaß am "Sex mit jemandem, den man mag" (Woody Allen über Selbstbefriedigung)7) durch ihre dummen Parolen ebensowenig verderben wie durch kirchliche Moraltraktätchen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schnitzler
Auf den Leserbrief kam eine Antwort (oder wurde nur eine abgedruckt).
Offener Brief an Norbert Schnitzler
Die eine Hand zwischen den Beinen, in der anderen den Klenkes (10/87) bewundere ich ausgiebig Dein umfassendes Grundwissen über Selbstbefriedigung und Frauensexualität. Verpackt in Hochgeistiges (leider Zitiertes) - ich bezweifle, ob Du die Überklebungsaktion überhaupt kapiert hast.
Es geht hier nicht um neue Prüderie unter dem Feministenmäntelchen, sondern um Aktionen gegen die Gleichschaltung der Frau mit Werbung. Du wirfst die Zeitschrift Playboy, ihre Werbung, Selbstbefriedigung und eine Prise lesbischer Frauen in einen Topf, schüttelst gut durch und beklagst Dich, daß frau Dir Dein Wissen madig machen will.
"Vom Wichsen wird man dumm" predigten die Moralisten. Göttin gebe, daß sie nicht doch recht behalten. Nach Deinem Leserbrief können sie wohl nur bejahend nicken.
Solltest Du inzwischen (nach-)gedacht haben, schicke ich Die gerne ein Unterschriftenblatt gegen sexistische Werbung.
Mit feministischem Gruß
N.N. (Name der Redaktion bekannt)
Der US-Playboy wurde 2020 eingestellt. "meedia" erinnert:
Siehe auch:Der US-“Playboy” war nie ein aufpoliertes “Schmuddelblatt” oder ein chauvinistisches “Tittenmagazin”, sondern eine lustvolle Streitschrift. Er lichtete einerseits nackte Frauen in erotischen Posen ab. Andererseits druckte HEFNER von Anfang an umstrittene Werke bekannter Schriftsteller wie RAY BRADBURY, der in seiner Dystopie “Fahrenheit 451” gegen die Zensur anschrieb. Oder einen Text von CHARLES BEAUMONT, der eine Welt erdachte, in der Homosexualität normal ist und Heterosexualität als abartig gilt.
Der Dokumentarfilmerin BRIGITTE BERGMANN (HUGH HEFNER – Playboy, Activist and Rebel) beschrieb HEFNER die Botschaft, die er mit BEAUMONTs Beitrag senden wollte, einmal so: “Wenn es falsch ist, in einer homosexuellen Gesellschaft heterosexuelle Menschen zu verfolgen, wie kann es da richtig sein, in einer heterosexuellen Gesellschaft homosexuelle Menschen zu verfolgen?” BEAUMONTs Text war sogar dem “Esquire” zu krass, der ihn zuvor abgelehnt hatte. HEFNER war das egal.
Dies waren bei weitem nicht die einzigen “Playboy”-Inhalte, die – immer im Zeichen des jeweiligen Zeitgeistes – zu Kontroversen führten. Sie reichten vom Nacktfoto von MARYLIN MONROE auf dem ersten Titel bis zu einem der längsten, jemals gedruckten Interviews mit MARTIN LUTHER KING. Sie reichten vom ersten dunkelhäutigen “Playmate des Monats” im März 1965 (JENNIFER JACKSON) bis zu “Pride is good” im vergangenen Jahr. Eine Kampagne, die ein Zeichen gegen die – in den USA noch verbreitete – “Homoheilung” setzte. Und das in bester “Playboy”-Manier, bunt und verspielt: mit farbenfrohen Bunny-Ohren, die von sieben Künstlern designed wurden.
BEN KRISCHKE: Der US-Playboy war kein Tittenmagazin sondern eine politische Streitschrift