Exkurse
Eigenheimzulage und ALG II
Die Arbeitslosen von Marienthal
neues Logo der Agentur für Arbeit
Schon zwei Tage nach den hier geschilderten Erlebnissen schrieb mir die "Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung Arbeitssuchender in Aachen (ARGE in der Stadt Aachen)"
Was will mir die Mitarbeiterin damit sagen? Wenn es schon angerechnet wurde, müßte ich doch den richtigen Betrag erhalten haben. Das kann bei den Einkünften, für die ich eine Gewinn- und Verlustrechnung vorlegen sollte, aber gar nicht der Fall sein. Wohl bei der Eigenheimzulage, denn die hatte ich schon in meinem Erstantrag (den mit den 16 Seiten) angegeben?
Soll ich diese Einnahme nun mehrfach ALG II - mindernd angerechnet bekommen oder hat die Behörde etwas übersehen? Übrigens schlägt der Ombusrat für Hartz IV vor, die Eigenheimzulage nicht mindernd anzurechnen, wenn sie zur Tilgung eingesetzt wird, was aber bei mir nicht der Fall ist.
Und zur Behauptung "während des Leistungsbezugs" brauche ich auch Erklärungen, denn ich hatte mich für den Auftrag beim Arbeitsamt abgemeldet, danach wieder angemeldet und auch der Krankenkasse mitgeteilt, daß ich mich nun selbst versichern muß. Das war bisher ein wiederholt praktiziertes und nie von der Behörde kritisiertes Vorgehen, daß m.E. auch damit in Übereinstimmung steht, daß man bei mehr als 15 Wochenstunden Arbeit nicht mehr arbeitslos ist.
Natürlich habe ich nicht angekreuzt, daß sie nach Aktenlage entscheiden soll, sondern mich bemüht den Fragebogen optimal auszufüllen und in einem Begleitschreiben meine Auffassung zu erläutern. Damit bin ich am Montag, den 9.5.2005, einen Tag nach dem 60. Jahrestag des Kriegsendes in Europa, zum Arbeitsamt gefahren, von dem ich nach bisheriger Erfahrung zu wissen glaubte, daß es von 7:30 bis 16:30 geöffnet habe. Stattdessen war ich nur einer von drei Kunden, die um 15:45 vor der verschlossenen Tür standen. Ohne unser Wissen waren die Öffnungszeiten verkürzt worden. In dem Schreiben, zu dem ich meine Antwort mitbringen und erläutern wollte, stand ebenfalls kein Hinweis.
Also mußte ich am nächsten Tag (Tag der Einweihung des Holocaust-Mahnmals) nochmal hin. Im Durchschnitt warteten etwa 10 Personen an den Schaltern der ARGE, für die zwei Elemente der Theke reserviert waren. Daneben waren vier Elemente der Theke für den übrigen Arbeitsamtsbetrieb reserviert. Wenn hier mal mehrere Menschen standen, dann, weil es sich sowohl vor als auch hinter der Theke um MitarbeiterInnen des Arbeitsamtes handelte, die miteinander plauderten. Ein freundlicher Herr von Kötter Security erzählte mir aber später, daß es am Vortag auch dort viele Kunden gab, fast so viele wie bei der ARGE.
Erwartungsgemäß wurde ich nicht gleich zu der Mitarbeiterin vorgelassen, deren Fragebogen ich beantwortet hatte. Ich sollte zwei Tage später wiederkommen. Auf meine Frage, warum man denn nicht wenigstens mit einem Hinweis "Beachten Sie unsere geänderten Öffnungszeiten..." meinen vergeblichen Besuch am Vortag hätte verhindern können, schließlich würden die Fahrkosten nicht erstattet, antwortete die Frau hinter der Theke, die Öffnungszeiten hätten in der Zeitung gestanden. Ich bekomme aber keine Lokalzeitung und fragte ohne Antwort, wovon sich ein Arbeitsloser die leisten solle. Auf meine weitere Frage, ob sich denn schon viele beschwert hätten, antwortete sie "Bei mir nicht" und dafür sei sie auch nicht zuständig. Ich entgegnete, die Arbeitsagentur solle doch ein modernes kundenfreundliches Dienstleistungsunternehmen sein, da müsse sie für alles zuständig sein, und das, was sie nicht bearbeiten könne notfalls weiterleiten. Sie meinte "Hier nicht".
Gut, daß ich mich mit der Antwort nicht zufrieden gab und auch noch den freundlichen Sicherheitsmann ansprach. Der erzählte mir nämlich, daß die neuen Öffnungszeiten erst am Donnerstag vorher bekannt gegeben worden seien. Auch Mitarbeiter von Kötter und des Arbeitsamtes seien am Montag zu früh gekommen und hätten das noch nicht gewußt. Wie kann denn das passieren, es stand doch in den Gazetten? Ohnehin würde ständig umgebaut, auch ihnen seien schon mehrmals andere Räume zugewiesen worden. Und er erzählte auch noch, daß am Montagmorgen um 8 Uhr über 100 Leute auf Einlaß gewartet hätten und sich die Zahl der Wartenden bis Mittags durch neu hinzukommende kaum verringert habe. Da war ich schon fast froh, erst um 15:45 dort gewesen zu sein, wenn es auch vergeblich war.
Zwei Tage später habe ich mit einer Mitarbeiterin gesprochen, die mir nicht geschrieben hatte. Ihr legte ich dar, daß ich zur Eigenheimzulage verschiedene widersprüchliche Informationen gefunden habe, wonach entweder diese Zahlung im Monat berücksichtigt werden müsse, in dem sie eingehe, oder aber, daß sie auf 12 Monate zu verteilen sei. Sie erläuterte, es gelte der Monat der Zahlung. Ich fragte, was denn sei, wenn ich gleich danach eine Arbeit fände. Die Eigenheimzulage wird ja nur einmal im Jahr gezahlt, da müsse mir doch eigentlich für jeden Monat ein Zwölftel zustehen. Das sah sie anders, denn nach der Zahlung sei ich nicht bedürftig, somit eine Voraussetzung für ALG II entfallen. Das hatte ich mir schon gedacht, deshalb überraschte ich sie nun mit dem Vorschlag ... , sich für den Monat dieser Zahlung abzumelden, die Zahlung eingehen zu lassen und sich für den nächsten Monat mit entsprechend höherem "Vermögen", das ja in Grenzen erlaubt ist, wieder anzumelden. Sie drohte mir, das könne als böswillig ausgelegt werden. Über die Folgen dieser Auslegung hüllte sie sich aber in Schweigen, bis auf den Hinweis, daß ich dann alle Nachweise erneut beibringen müsse. Das allein finde ich nicht bedrohlich. Es erscheint mir ebenso wie das von mir in Erwägung gezogene Verhalten als bloße Ausnutzung gesetzlich bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten, so wie vor Jahren eine Gesetzesänderung mal dazu geführt hatten, daß reiche Unternehmen noch Steuern zurückbezahlt bekamen.
Es würde mich nicht wundern, wenn ich noch mehr Ärgernisse in Zusammenhang mit meiner Arbeitslosigkeit hier veröffentliche.
Exkurse |
oben |
Wieso das von mir in Erwägung gezogene Vorgehen "böswillig" sein soll, habe ich nicht erfahren. Ich halte es aber für möglich, daß auch hier wieder ein Trend bewiesen wird, den die Süddeutsche Zeitung so beschrieb:
Und speziell zur Eigenheimzulage wird berichtet:
Eigenheimzulage: Ob die staatliche Eigenheimzulage als Einkommen anzurechnen ist, hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen verneint. Die Arbeitsagentur dürfe nicht kürzen, wenn der Eigenheimbesitzer nachweise, dass er die Zulage für die Tilgung des für den Hausbau aufgenommenen Darlehens verwendet. Die Staatszulage sei eine "zweckbestimmte Einnahme" und damit grundsätzlich privilegiert. Durch die Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II würden Bezieher kleiner Einkommen, für die die Eigenheimzulage gerade vorgesehen sei, von der staatlichen Vergünstigung faktisch ausgeschlossen. (AZ: L 8 AS 39/05 ER)
Den Tipp, sich für einen Monat abzumelden, findet ihr hier: Ra. MICHAEL BACZKO von Tacheles e.V: Achtung: Auszahlung der Eigenheimzulage im März! Sie führt zum Verlust des ALG II! Wie kann dies vermieden werden?:
Einkommen und Vermögen unterscheiden sich dadurch, dass Einkommen all das ist, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, während Vermögen das beinhaltet, was jemand in der Bedarfszeit bereits hat.
Somit könnte derjenige ALG II – Empfänger, der eine Eigenheimzulage erwartet, unverzüglich der Bundesagentur, bzw. der Arbeitsgemeinschaft oder Kommune mitteilen, dass er den Antrag auf Arbeitslosengeld II für die Monate ab dem Monat der Zahlung der Eigenheimzulage (wenn die Eigenheimzulage also im März zufließt, ab März) zurücknimmt. Die Folge wäre, daß der ursprüngliche Bescheid ab März und bezüglich der Folgemonate aufgehoben werden müsste. Im März besteht dann kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Sofort Anfang April, bzw. in dem Monat, der der Zahlung, der Eigenheimzulage folgt, muss dann natürlich unverzüglich ein neuer Antrag auf ALG II gestellt werden. Da die Eigenheimzulage dann vor dem (neuen) Bedarfszeitraum geflossen ist, müsste diese bei der Berücksichtigung des neuen ALG II als Vermögen und nicht als Einkommen gewertet werden. Diese Verfahrensweise hat jedoch nur dann Sinn, wenn die Vermögensfreibeträge noch nicht ausgeschöpft sind.
Der Aufsatz behauptet, daß das Arbeitsamt auch die Leistungen völlig einstellen kann, bis die Eigenheimzulage aufgerechnet ist, was aber offenbar nicht beabsichtigt ist, denn in meinem Anhörungsbogen wurde ich gefragt, wieviel ich monatlich anrechnen lassen möchte (habe 10 Euro eingetragen).
Gegen diese einmalige Anrechnung (wenn auch auf mehrere Monate) spricht ein auch dort zitiertes Urteil von 2003:
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 28.05.2003 Aktenzeichen 5 C 41.02 ausgeführt.
... Bei Auszahlung einer bewilligten Eigenheimzulage ist diese von dem Monat an, in dem die Auszahlung erfolgt (Zuflusszeitpunkt), als Einkommen zu berücksichtigen; sie ist grundsätzlich auf einen Zeitraum von zwölf Monaten aufzuteilen und mit dem entsprechenden Teilbetrag als Einkommen anzusetzen.
Weitere Links:
Die erste bedeutende Studie über Arbeitslosigkeit ist schon vor über 70 Jahren entstanden. Ohne sie wüßte heute kaum jemand etwas mit Ort Marienthal zu verbinden.
Ich beschränke mich hier auf ein paar kurze Zitate und Links. Der Standard schrieb am 4. Juni 2004:
Das wissenschaftlich fundierte Zeugnis für das große Elend erbrachte eine soziologische Pioniertat, die Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" von PAUL LAZARSFELD, MARIE JAHODA und HANS ZEISEL (alle drei emigrierten noch vor dem "Anschluss"). ISIDOR MAUTNERs Textilfabrik Marienthal (Gemeindegebiet Gramatneusiedl), die 1929 rund 1300 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigte, fiel wenig später der Krise zum Opfer; 80 Prozent der Einwohner Marienthals wurden arbeitslos.
"Langsam aber stetig steigt der materielle Druck", heißt es im Resümee der Studie. "Die Ansprüche an das Leben werden immer weiter zurückgeschraubt; der Kreis der Dinge und Einrichtungen, an denen noch Anteil genommen wird, schränkt sich immer mehr ein; die Energie, die noch bleibt, wird auf das Aufrechterhalten des immer kleiner werdenden Lebensraumes konzentriert (. . .) Am Ende dieser Reihe stehen Verzweiflung und Verfall."
Über die heutige Arbeitslosigkeit gibt es sicher auch Untersuchungen, aber mir ist keine bekannt, die ähnlich herausragt.
Weitere Links:
Kürzlich ist bekannt geworden, daß die Arbeitsagenturen, die angeblich den neuen Ansprüchen an kundenorientiertes Arbeiten schon genügen, mit einem neuen Logo belohnt werden sollen. Der Entwurf kostet angeblich 100.000 Euro und sieht fast so aus wie das alte. Das erinnert an die Deutsche Bahn, deren neues Logo dem alten auch so ähnelt, daß man es nur im direkten Vergleich unterscheiden kann. Die Kosten sind natürlich künstlich heruntergerechnet, weil damit nur die Werbeagentur bezahlt werden kann, nicht aber die neuen Schilder.
Ich habe nicht gegen jedes neue Logo Einwände, denn manchmal kann es ja wirklich besser werden, wie z.B. sind bei TUI und Jacobs Kaffee. Originell und undenkbar wäre ein Arbeitsamtslogo, wie es der Kabarettist HAGEN RETHER trägt:
Ein Bild fand ich bisher beim "Siebenbürger" und im Rheinischen Merkur, der auch berichtet:
Einen anderen Vorschlag, der aber wohl zu ehrlich wirkt, machte das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL auf Titelbild 21/2005. Dazu wurde das vom Mathematiker ROGER PENROSE entworfene Dreieck in das alte Arbeitsamtslogo eingebaut. Vgl. auch Ansichtssache: Unmögliche Figuren
Das neue Logo präsentierte SANDRA MAISCHBERGER Minister CLEMENT und der fand es hervorragend. Die Kosten rechtfertigte er damit, daß jede Zeitung alle fünf Jahre ihr Erscheinungsbild ändern müsse, um attraktiv zu bleiben. Nur ist das eine Kostenabwägung: Wieviele Käufer verlieren wir bei Beibehaltung des Layouts, wieviele können wir gewinnen? Letztlich ist das "Relaunch" also billiger als keine Änderung (wenn sich die Werbefuzzis nicht verrechnen oder irgendwelche Bekannten begünstigen wollen). Beim Arbeitsamt zahlen die SteuerzahlerInnen aber drauf, ohne daß sich die Einnahmen verbessern, oder glaubt etwa jemand, mit dem neuen Logo würden dem Amt mehr freie Arbeitsplätze gemeldet als mit dem alten?
Mich stört auch, daß mit einer neuen Farbkonzeption ausgerechnet junge Menschen mit orangenen (meine Lieblingsfarbe) Broschüren beglückt werden sollen, die doch eigentlich alten Menschen wie mir, die die siebziger Jahre ("Creme 21"!) schon bewußt miterlebt haben. Schaut euch auch meinen orangenen Mercedes 200 D an!
Weitere Links:
Hintergrundmusik: http://herresbach.rotes.net/arbeiterlieder/0029.mid
Text dazu: Arbetloze-Marsj von MORDECHAI GEBIRTIG