Schon im Surftipp 7/2000 über ERNST BUSCH hatte ich AXEL EGGEBRECHT als Bewohner der gleichen Künstlerkolonie erwähnt.
studierte Germanistik und Philosophie, seit 1921 in Berlin; 1920 Mitglied der Kommunistischen Partei, setzte sich zunehmend kritisch mit der kommunistischen Doktrin auseinander, 1925 Austritt aus der KPD, seit 1925 als freier Schriftsteller, Regieassistent tätig, 1925 Filmdramaturg bei der UfA, Filmkritiker beim Berliner Tageblatt, Mitarbeiter der «Weltbühne». 1933 Berufsverbot, 1933-35 Gefängnis und KZ in Hainwalde, Schreibverbot. Während dieser Zeit konnte er aber unter Pseudonymen an Drehbüchern mitarbeiten bzw. schrieb Drehbücher unter Decknamen oder für andere Autoren. Nach 1945 Aufbau des Hamburger Rundfunks, 1945-49 Abteilungsleiter des NWDR Hamburg, 1963-65 Rundfunkberichterstatter über den Auschwitz-Prozeß in Frankfurt/M. Vorsitzender des P.E.N.-Club 1947/1965, Mitglied der Frankfurter Akademie der Künste 1956, schrieb Gedichte, Romane, Hörspiele, Filme, Essays. |
http://www.kultur-netz.de/kueko/bilder/eggebr.jpg |
Für EGGEBRECHTS Mitarbeit an Filmen habe ich zwei Beispiele gefunden:
Heute ist fast nur noch sein Katzenbuch bekannt. Titel: Katzen |
http://www.tolle-tipps.de/content/fre/bsa/katze41.jpg |
Außerdem fand ich noch bei Amazon: Dietz Taschenbücher, Bd.1, Volk ans Gewehr |
http://images-eu.amazon.com/images/P/3801230015.03.MZZZZZZZ.gif |
Schon während des Zweiten Weltkrieges wurde HUGH CARLETON GREENE den deutschen RadiohörerInnen bekannt - wenn sie wagten, BBC zu hören.
UDO TSCHIMMEL: Die Englische Tante. BBC: Der traditionsreichste Radiosender der Welt wird 75 schreibt über diese Zeit:
Die BBC entwickelt Sendeformen, die heute noch aktuell sind. So die Summary News die die die Zusammenfassung der Nachrichten. Ab 1942 bringen die deutschsprachigen Nachrichtensendungen die wichtigsten Meldungen in Kurzform am Anfang und, als Wiederholung, am Ende.
Das war damals neu und ist bis heute populär geblieben. Doch diese Form der Nachrichtenpräsentation wurde aus der Not geboren. Die Programmplaner der BBC wußten, daß ihr deutsches Publikum unter der ständigen Bedrohung des Nazi-Regimes stand: So begrenzten viele Schwarzhörer die Einschaltzeiten auf jeweils wenige Minuten Minuten, in denen sie die wichtigsten Neuigkeiten erfahren wollten. Mit den kurzen Summaries, den Zusammenfassungen der bedeutendsten Meldungen, stiegen die Chancen dafür. Gleichzeitig setzte die BBC damit Maßstäbe für die Nachrichten der Zukunft.
Exkurs: Ich finde heutige Nachrichten oft zu kurz. Nun weiß ich, wer damit angefangen hat. Im DLF beispielsweise wurden die 10-Minuten-Nachrichten praktisch halbiert zugunsten von Börsenberichten und Verkehrshinweisen oder Kurzfassungen davor UND dahinter! Der WDR sendet sonntags statt fünf nur drei Minuten lang Nachrichten, was blöd ist, wenn man im Anschluß etwa nach 19 Uhr etwas aufnehmen will. Bei mir ist das das Kritische Tagebuch oder Zeitfragen-Streitfragen. Dadurch ist 19:05 sonntags zu spät.
Lassen wir UDO TSCHIMMEL nun weiter berichten.
Ohne ein gemeinsames Konzept versuchen die Westmächte, ihre Vorstellungen eines demokratisch organisierten, unabhängigen Rundfunks auf Deutschland zu übertragen. So verzichten die pragmatischen Amerikaner auf die Einführung des Privatradios. Sie erkennen, daß die Deutschen wirtschaftlich noch zu schwach sind, um die Maschine von Konsum und Werbung anzukurbeln. Die Franzosen hingegen warten ab, was die Amerikaner und die Engländer machen. Der PR-Chef der britischen Streitkräfte aber schickt einen folgenreichen Brief von Hamburg nach London. Er bittet WILLIAM HALEY, den damaligen Generaldirektor der BBC, um einen fähigen und erfahrenen Mann. Er soll die Organisation des NWDR übernehmen, des neuen Nordwestdeutschen Rundfunks in Hamburg:
Wir wollen kein Sprachrohr Englands schaffen, sondern ein Instrument, das obwohl es unseren Zwecken dient und unseren allgemeinen Vorstellungen entspricht von den Deutschen einfach als ihr eigenes verstanden werden kann. Ich werde weder einen Rundfunk schaffen, der von der Regierung kontrolliert wird noch das Kommerzradio. Als Alternative sehe ich eine öffentliche Körperschaft nach dem Modell der BBC.
HALEY, der Chef der BBC, reagiert schnell auf das Schreiben. Er weiß sofort, wen er nach Deutschland schicken wird, um dort ein neues Rundfunksystem aufzubauen: HUGH CARLETON GREENE, den langjährigen Leiter des Deutschen Dienstes.
GREENE, der neue Chief Controller, macht in Hamburg schnell klar, was er vorhat nämlich
das Statut der unabhängigen BBC mit erforderlichen und vernünftigen Modifikationen den deutschen Verhältnissen anzupassen.
GREENE, intimer Kenner des Landes, will das öffentlich-rechtliche Modell der BBC auf das Deutschland der Nachkriegszeit übertragen. Dabei geht er erstaunlich pragmatisch vor. Er konferiert mit allen Länderregierungen, dem Zonenbeirat, den Parteien, Kirchen, Kulturorganisationen, Gewerkschaften, Arbeitgebern ... und überträgt viele der dabei aufgenommenen Anregungen in seinen Entwurf.
20 Jahre später hält HUGH CARLETON GREENE einen Vortrag in Stuttgart. Da sagt er:
".. ich bin unbescheiden genug zu glauben, daß meine 2 Jahre in Deutschland im weiteren Sinne kein völliger Fehlschlag waren, und daß ich etwas dazu beigetragen habe, die Tradition eines unabhängigen Rundfunks zu schaffen, die heute noch lebendig ist."
weiterer Link:
Das Adolf-Grimme-Institut faßt GRIMMES Lebenslauf sehr knapp zusammen:
ADOLF GRIMME...wurde am 31. Dezember 1889 in Goslar am Harz geboren. 1930 - 1932 Preußischer Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) stiftete 1961 einen Fernsehwettbewerb, der ab 1964 als Adolf Grimme Preis jährlich in Marl verliehen wird. Bis 1977 wurde dieser Wettbewerb von der insel Marl" (Bildungswerk der Stadt Marl) vorbereitet und durchgeführt. Seit 1977 ist dafür das 1973 gegründete Adolf Grimme Institut zuständig. |
http://www.grimme-institut.de/images/adogri1.gif |
Die CDU sah schon 1950 im NWDR den "Rotfunk", als den sie ihn noch in den 80er Jahren bekämpfte. Der Spiegel schrieb damals über ein vertrauliches Memorandum der CDU, das der CDU-nahen Presse als Grundlage für Angriffe auf den NWDR zugespielt worden war:
"Dr. GRIMME gilt als überzeugter SPD-Mann. Wenn wir ihn in diesem Zusammenhang nicht als Konspiranten nennen können und wollen, darf doch nicht unerwähnt bleiben, daß er während des Krieges in irgendeiner Verbindung mit der "Roten Kapelle" stand, die nach amerikanischer Auffassung (ALLAN DULLES) eine Spionageorganisation der Roten Armee war. Jedenfalls wurde er deswegen inhaftiert."
Aus einer Ansprache WOLFGANG CLEMENTS:
Blicken wir 50 Jahre zurück. Damals, im November 1948, hielt ADOLF GRIMME seine Antrittsrede als Generaldirektor des frisch gegründeten Nordwestdeutschen Rundfunks.
Er sagte damals:
"Im Wirtschaftlichen erwartet der Hörer, dass jene 20 Groschen, die er sich jeden Monat abspart, sinnvoll verwendet werden, dass also Wirtschaftlichkeit und Darbietung im gesunden Verhältnis zueinander stehen. Was er erwarten sollte, ist, dass Qualität wirtschaftlich dargeboten wird. Vom Programmatischen her gesehen, heißt das: erwarten, dass der Rundfunk den Willen zur Qualität besitzt. Es wird freilich dieser Wille zum Niveau nicht stets den Majoritätsgeschmack auf seiner Seite haben. Der Rundfunk darf deshalb, wenn er dieser seiner Sendung als Erziehung zum Qualitätsgefühl treu bleiben will, nicht der verführerischen Jagd nach Popularität verfallen. Wer gewillt ist, das Beste im Menschen anzusprechen, muß nun einmal zugleich den Mut zur Unpopularität besitzen."
Sicher, vieles, was ADOLF GRIMME damals sagte, mag uns Heutigen in der Diktion fremd anmuten. Er sprach damals von Rundfunk als einem Instrument der Volksformung, vom Rundfunk als Mittelpunkt der inneren Sammlung, vom Rundfunk als Helfer zur Besinnung auf den Sinn des Lebens, als Wegweiser zu den echten Werten des Menschen und als Wegbereiter einer neuen Schau des Menschen und seiner Sendung in der Welt.
All das mag uns heute merkwürdig antiquiert anmuten. Und doch: ADOLF GRIMME sprach damals, in der Geburtsstunde des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, von jenem "Ethos des Rundfunks", das auch heute, 50 Jahre nach dem Amtsantritt von ADOLF GRIMME als Generaldirektor des NWDR, noch Bedeutung und Gültigkeit hat.
GÜNTER NEUMANN erfand die Kabarettsendereihe "Die Insulaner". Zum 50. Jahrestag der ersten Sendung erinnerte die PETER AUER daran: GÜNTER NEUMANN, vor dem Krieg Mitstreiter bei WILLY SCHAEFFERS, gab eine Zeitschrift heraus, die «Der Insulaner» hieß. Kleiner Schönheitsfehler: Sie wurde von keinem gekauft. NEUMMANN trommelte improvisationsfreudige Schauspieler zusammen. Fürs Weihnachtsprogramm 1948, das wenigstens etwas Fröhliches enthalten sollte, schrieb er ein Konzept; Titel: Der Club der Insulaner. Es sollte im vielgehörten Rias unverblümte Werbung für sein reichlich mickriges Blättchen sein. Die blutjunge und spindeldürre Berliner Pflanze ETHEL RESCHKE sang am Abend des Ersten Feiertages den Eröffnungspart: «Der Insulaner . . .» Sie konnten sich vor Erfolg nicht retten. Zwar schlief die unselige Zeitschrift gnädig ein, aber der Rias hatte einen Straßenfeger. Die Insulaner hatten als Feind nicht allein die Mächte in Moskau ausgemacht, sondern die vorschriftshörigen Spießbürger in den Amtsstuben. Für den blitzgescheiten Texter wieherte der Amtsschimmel nicht nur scheuklappendoof in Ost, sondern parteibuchborniert auch in West. Pfiffikusse, die sie waren, schauten sie denen auf grellrotgeschminkte Mündchen, die bei Kranzler als Generalswitwen die Zeit mit Tratsch totschlugen. Aber der behäbige Insulaner, der die Ruhe nicht verlor und kein Getue liebte, mußte jäh erwachen, als am 13. August 1961 Stacheldraht und Asbestbeton im Sinn des Wortes zementierten, daß nun endgültig Schluß ist mit lustig sein. Das Bauen der Mauer, das Schießen war kein Spaß mehr. Die Insulaner verloren die Ruhe, gingen unter! Alle Wiederbelebungsmaßnahmen nach 1961 (und es gab zu diversen Jubiläen einige davon) endeten in Plattheit oder Peinlichkeit. Rund 130 Sendungen insgesamt bilanzierten die Rias-Macher (zu denen später auch HANS ROSENTHAL gehörte). Ihre stärksten, weil bittersten Zeiten erlebten die Insulaner nur im grenzgrauen Niemandsland und Bierseligkeit unter dem Patriarchat der knorrigen Altvordern ADENAUER und ULBRICHT. |
http://www.dra.de/GRAPHICS/rias01.jpg Plakat zum getanzten Hörspiel "Da werden Tiere zu Hyänen" nach dem Roman "Farm der Tiere" von GEORGE ORWELL (vgl. Surftipp 7/2000) |
Nicht alle möchten das heute noch hören. CONSTANZE TREUBER z.B. nicht mehr.
GÜNTER NEUMANN ist seit 27 Jahren tot, und man sollte ihn in Frieden lassen, solange es keinen Grund zu seiner Wiederbelebung gibt. Von 1948 an schrieb er alle vier Wochen 150 Folgen lang ein Kabarettprogramm für die Insulaner. Die meist unter Zeitdruck entstandenen Nummern waren auch damals mehrheitlich nicht brillant, auch ihm unterliefen schwer erträgliche Sentimentalitäten wie "Wenn Vata Zille heut noch einmal durch Berlin jing". Die übrigens wurden im Osten mit derselben Penetranz gepflegt, in der Beziehung ähnelten sich die beiden Halbstädte sehr.
Aber NEUMANN war damals wenigstens aktuell. Seine Stoffe fand er in der Zeitung und in der Stadt. Nur warum sollte heute noch jemand über die kleinbürgerlichen Vorbehalte der Bonner gegen den Regierungsbauboom in der provisorischen Hauptstadt lachen, uuml;ber eine in zwei Teile zersägte Dame namens Berolina oder über die fieberhafte Reisetätigkeit eines berühmten Kapellmeisters ("Karajan da, Karajan dort, Karajan hier, Karajan fort").
Aber für geschichtlich interessierte sind die Insulaner noch erlebbar - nämlich auf Tonträgern. Vor Jahren habe ich mir eine CD-Box gekauft, die noch lieferbar ist. JPC will die verkaufen und lobt sie natürlich auch:
8 CD-Box in LP-Format mit einer Auswahl von 148 Ausschnitten aus den Sendungen der "Insulaner" von 1948 - 1964. Ein beiliegendes großformatiges Buch von 84 Seiten informiert ausführlich über die quot;Insulaner-Jahre". Der RIAS hatte mit "GÜNTER NEUMANN und seine Insulaner" für viele Jahre die schlagendste, heiterste und zeitkritisch wohl beste Kabarettreihe, die je für einen Sender geschrieben wurde.
die CD(s) | die Mitwirkenden (aus dem Begleitheft) |
weitere Links:
1998 würdigte Deutschlandradio den Schriftsteller ERNST SCHNABEL mit einer langen Nacht. Ich zitiere die Begleitinformation im WWW:
Interview mit einem Stern ... Eine Lange Nacht mit dem Weltenbummler ERNST SCHNABEL "Wir leben in einem Land und in einer Zeit der Massenmedien, die die Minderheiten der Neugierigen, der geisstig Aktiven, der Fragenden, der Zweifelnden, der Unersättlichen (was die Befriedigung hoher Ansprüche betrifft) einfach außer Betracht lassen." ERNST SCHNABEL schrieb dies - einer der (kulturellen) Größen des Rundfunks in Deutschland, maßgeblich beteiligt an der Gründung des legendären "Nachtprogramms im NWDR". Er war Wegbereiter des deutschen Hörspiel-Features, Autor von annähernd zwanzig großen Radioproduktionen, Dramaturg solch wirkungsreicher Stücke, wie WOLFGANG BORCHERTs "Draußen vor der Tür", Programmleiter der "Gruppe Wort" des NWDR, kurzzeitig sein Intendant - vor allem war er freier Schriftsteller. Seine Reisebücher, seine Romane, seine Erzählungen sind vergriffen. Seine dokumentarischen Rundfunkwerke indessen werden mit historischer Entfernung immer bedeutsamer. "Der 29. Januar 1947" und "Anne Frank - Spur eines Kindes" sind nur die bekanntesten jener Titel, die in dieser Klangreise durch das radiophone Werk ERNST SCHNABELs, eine Werkschau für die Ohren zur Erinnerung an einen der eigenwilligsten Kreativen des (derzeit jubilierenden) deutschen Rundfunks - arrangiert von KARL KARST |
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/langenacht/img/schnabel.jpg |
Geboren wurde ERNST SCHNABEL am 26.09.1913 in Zwickau. Ab 1936 betätigte er sich als Schriftsteller, später auch als Dramaturg. Nach dem Krieg, in dem er bei der Marine seinen Kriegsdienst absolvierte, arbeitete er beim Nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg als Chefdramaturg, später als Leiter der Abteilung Wort. 1947 begründete er dort das erste deutsche Nachtprogramm. Bevor SCHNABEL 1951 Intendant des NWDR wurde, arbeitete er auch freiberuflich für die BBC in London. 1955 legte SCHNABEL sein Amt als Intendant nieder und arbeitete als freier Schriftsteller in Hamburg. 1962 rief er, gemeinsam mit ROLF LIEBERMANN, beim SFB und NDR das 3. Hörfunkprogramm ins Leben. Dem SFB in Berlin kündigte er 1970, gemeinsam mit rund 100 Kollegen, seine Mitarbeit auf, um gegen den Intendanten FRANZ BARSIG zu protestieren. Von nun an arbeitete SCHNABEL wieder als freier Schriftsteller.
SCHNABELS Arbeit galt als avantgardistisch. Als Film- und Rundfunkautor löste er traditionelle Formen auf. Die britische Hörfunkform des Features führte SCHNABEL in Deutschland ein. Am 25.01.1986 starb ERNST SCHNABEL in Berlin im Alter von 72 Jahren.
Radio Bremen und NDR wiederholten das Experiment "Der 29. Januar" 1977. Im Aufruf hieß es:
Von ERNST SCHNABEL
RADIO BREMEN und NDR wiederholen Experiment von 1947
Zu den ersten glanzvollen Taten des späteren Intendanten des Senders (1952 - 1956) gehörte die Aktion Der 29. Januar. SCHNABEL bat die Hörer zu Beginn des Jahres 1947, diesen Tag intensiv wahrzunehmen und tagebuchartig zu notieren, was der einzelne am 29. Januar erlebt, gedacht oder gefühlt hatte. Aus den Aufzeichnungen sollte das Panorama eines Tages entstehen.
Die Reaktion der Hörer war überwältigend. 35.000 Briefe gingen ein. Aus den Zuschriften montierte ERNST SCHNABEL in hörspielartigen Szenen ein zeitgeschichtliches Dokument, das den Kältewinter 1946/47 im bitterarmen Nachkriegsdeutschland bewegend spiegelt.
Auch WOLFGANG BORCHERT "Draußen vor der Tür" wurde von SCHNABEL für den Rundfunk bearbeitet. Das Museumsmagazin des Hauses der Geschichte berichtet darüber:
Der Schriftsteller und Chefdramaturg ERNST SCHNABEL wurde auf das Theaterstück aufmerksam und entschied, daß es sich am besten als Hörspiel eignen würde eine erfreuliche Überraschung für den jungen BORCHERT der schon länger gehofft hatte, für den Rundfunk tätig zu werden. SCHNABEL änderte den von BORCHERT ursprünglich vorgesehene Titel für das Stück "Ein Mann kommt nach Deutschland" in "Draußen vor der Tür" und nach einer Überarbeitung des Stückes sendete das Studio Hamburg des "Nordwestdeutschen Rundfunks" am 13. Februar 1947 die Hörspielfassung in einer Nachtsendung die BORCHERT selbst aufgrund eines Stromausfalls nicht empfangen konnte.
Der Erfolg des Hörspiels war gewaltig. Die Zustimmung kam gleichermaßen aus Reihen des Publikums und der Kritiker. Das Hörspiel bedeutete für den jungen Schriftsteller den künstlerischen Durchbruch, über Nacht wurde er zu einem bekannten Schriftsteller. [... was ihm nicht viel nutzte, weil er einen Tag vor der Theaterpremiere starb, N.S.]
Die folgende Zusammenfassung stützt sich hauptsächlich auf
KARL-EDUARD VON SCHNITZLER ging am 07. Juni 1944 zu den Engländern über und durfte schon drei Tage später seinen ersten Beitrag bei der BBC in London sprechen. Als verantwortlicher Redakteur für die tägliche BBC-Sendung Hier sprechen deutsche Kriegsgefangene zur Heimat lernte die Grundregeln für redaktionelles, journalistisches Arbeiten, wie die richtige Sprechweise und die psychologische Wirkung der Gestaltung von Radiosendungen. Im Juni 1945 begann er beim NWDR bzw. bei dessen Vorläufer in Hamburg als Kommentator und wechselte am 01. Januar 1946 als erster amtierender Intendant und Leiter der politischen Abteilung des NWDR nach Köln.
War er am Anfang wegen seiner Arbeit in London und seiner sauberen Denkweise als Journalist geschätzt, geriet er bald mit der britischen Besatzungsmacht auf Grund seiner extrem linken Denk- und Arbeitsweise in Konflikt. VON SCHNITZLER selbst sagt, er habe in Köln antifaschistisch-demokratische Politik gemacht! (aus: BIERBACH, 1990). In den schwierigen und ungewissen Zeiten der ersten Nachkriegsjahre wurde diese Meinung jedoch vielseitig ausgelegt. Vor allem bei dem britischen Chefcontroller in Deutschland, HUGH CARLETON GREENE (ein Bruder des Schriftstellers GRAHAM GREENE), eckte VON SCHNITZLER mit seiner Art von demokratischem Journalismus zunehmend an, bis dieser ihn 1947 schließlich wieder nach Hamburg zurückversetzte. Die Spannungen zwischen dem journalistischen Anspruch der Besatzungsmacht und der Arbeit von VON SCHNITZLER wuchsen weiter und führten schließlich, noch im Frühjahr 1947, zur fristlosen Entlassung VON SCHNITZLERs. Die Vorgänge jener Zeit zeigen deutlich, wie fest KARL-EDUARD VON SCHNITZLER schon in seiner journalistischen Anfangszeit dem kommunistischen Gedanken folgte, ohne dabei auch nur im Geringsten an seiner weltpolitischen Anschauung zu zweifeln. Für ihn war demokratische Politik zugleich und ausschließlich sozialistische Politik, und nur in dieser Form war - vor allem nach dem nationalsozialistischen Regime - der Aufbau eines neuen Deutschlands möglich. Die Alliierten waren dabei für ihn die Mächte, die die Umsetzung seiner Ideale verhinderten, vielmehr die Teilung in zwei deutsche Staaten vorantrieben. Wie tief VON SCHNITZLER von dieser Meinung überzeugt war, schreibt er in einem offenen Brief aus Berlin im März 1947, wo es u.a. heißt: Anstatt Objektivität, Fortschritt und Frieden zu dienen, hat der NWDR Partei ergriffen und ist eine Bastion gegen den Osten geworden (aus: BIERBACH, 1990). Zugleich wird schon in den Anfängen des neugegründeten Rundfunks deutlich, wie sensibel die alliierten Machthaber auf jedwede Form kommunistischen Gedankengutes reagierten, und welchen Stellenwert dabei vor allem die Massenmedien in einem im gesellschaftlichen und politischen Aufbau befindlichen Land besitzen. Logische Folge der Ereignisse war für VON SCHNITZLER sein Weggang von Westdeutschland nach Ost-Berlin, wo er von MICHAEL STORM (das journalistische Pseudonym von MARKUS MISCHA WOLF), Kommentator beim Berliner Rundfunk, der Rundfunkanstalt unter Leitung der Sowjetischen Besatzungmacht, erwartet wurde. Wahrscheinlich über diese Beziehungen wurde VON SCHNITZLER nach eigenen Angaben dort sofort Festangestellter... Beim Berliner Rundfunk arbeitete VON SCHNITZLER von Anfang an im Fernsehbereich, zunächst leitete er neben seiner Kommentatorentätigkeit eine Diskussionsrunde. Dieser sogenannte Treffpunkt Berlin war eine Rundfunkdiskussion mit westlichen Journalisten. Die zuerst auf Hörfunk ausgerichtete Debatte wurde von MICHAEL STORM (alias MARKUS WOLF) geleitet, erst als 1957/58 eine Fernsehsendung daraus konzipiert wurde, übernahm VON SCHNITZLER den Vorsitz des Gesprächs und führte ihn elf Jahre lang. Die eigentliche Aufstieg des KARL-EDUARD VON SCHNITZLER beginnt an jenem Montag, den 21.März 1960, als er mit seiner wöchentlichen Sendung Der Schwarze Kanal erstmals auf Sendung geht. Von da an sollte der Kommentator VON SCHNITZLER wie kein zweiter Journalist die politische Fernsehlandschaft der DDR, bis zu der friedlichen Revolution im Herbst 1989, bestimmen. |
http://www.hdg.de/lemo/objekte/pict/ BiographieSchnitzler_photoSchnitzlerKarlEduardV/index.jpg
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Der Schwarze Kanal, den wir meinen, meine lieben Damen und Herren, führt Unflat und Abwässer; aber statt auf Rieselfelder zu fließen, wie es eigentlich sein müßte, ergießt er sich Tag für Tag in hunderttausende westdeutsche und westberliner Haushalte. Es ist der Kanal, auf welchem das westdeutsche Fernsehen sein Programm ausstrahlt: Der Schwarze Kanal. Und ihm werden wir uns von heute an jeden Montag zu dieser Stunde widmen, als Kläranlage gewissermaßen." 21.6.1960 - Beginn der ersten Sendung |
Guten Abend, meine Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen. Diese Sendung wird nach fast dreißig Jahren die Kürzeste sein, nämlich die letzte. Der Klassenkampf geht weiter, also auch die aktuelle, streitbare Politik. Einige mögen jubeln, wenn ich diese Fernseharbeit nun auf andere Weise fortsetze. Nicht daß ich etwas zu bereuen hätte; der Umgang mit der oft unbequemen Wahrheit ist schwer, aber er befriedigt In diesem Sinne werde ich meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen, als Waffe im Klassenkampf zur Förderung und Verteidigung meines sozialistischen Vaterlandes. Und in diesem Sinne, meine Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen, AUF WIEDERSEHEN Mit diesen Worten verabschiedete sich KARL-EDUARD VON SCHNITZLER am 30.10.1989 nach 1518 Sendungen von seinen Zuschauern. |
Diese Aufforderung wurde 1989 bei einer Demonstration getragen. Das Bild ist von einer Kopie aus dem STERN eingescannt.
Der Spiegel schreibt über das Ende des "Schwarzen Kanals":
"SCHNITZLERs Visage bringt alle in Rage", "Schnitzler in die Muppet-Show", "SCHNITZLER in den Tagebau", "SCHNITZLER weg von Bild und Ton, er besudelt die Nation" - auf das Stakkato der Demo-Sprüche kann die SED-Spitze nur noch defensiv reagieren.
Die Volksnäheren unter den Parteigrößen haben ohnehin seit längerem geahnt, dass der SCHNITZLERSCHE Journalismus der SED mehr schadet als nützt - wie es von anderer Warte WOLF BIERMANN formulierte: "Hey, SCHNITZLER, du elender Sudel-Ede Sogar, wenn du sagst, die Erde ist rund Dann weiß jedes Kind: Unsre Erde ist eckig Du bist ein gekaufter verkommener Hund ... "
In Dresden hat Oberbürgermeister WOLFGANG BERGHOFER kurz vor der letzten Sendung zornigen Protestlern versprochen, er werde deren Forderung "SCHNITZLER weg" ans DDR-Fernsehen weiterleiten. Bei einem "Sonntagsgespräch" mit 20 000 Teilnehmern vor dem "Roten Rathaus" in Ost-Berlin am Vorabend von SCHNITZLERs letztem Auftritt hatte auch SED-Bezirkschef GÜNTER SCHABOWSKI den Kanal voll: "Ich bin sicher, dass KARL-EDUARD diese Stimmungslage nicht verborgen geblieben ist, dass er ein kluger Mann ist und daraus Konsequenzen zieht."
"Schwarzer Kanal, heut' zum letzten Mal": Die Leipziger Demonstranten, die am frühen Abend diesen Spruch skandiert haben, ahnten nicht, dass, was eben noch Forderung war, binnen Stunden Fakt werden sollte - und zugleich Auftakt einer Woche der Rücktritte.
Weitere Links:
Als die Veranstalter während des Fests bekannt geben, dass die Demo am Sonntag für KARL und ROSA verboten ist, schwadroniert SCHNITZLER los: "Aha, nun hat also der Herr Polizeipräsident den Auftrag bekommen, die Reichshauptstadt muss frei gemacht werden von Antifaschisten!" Das Argument von einem angedrohten Anschlag lässt er nicht gelten. Am Ende des Festes sitzt SCHNITZLER, auf seinen Stock gestützt, in einer Ecke des Foyers und wartet auf das Taxi. Träumt SCHNITZLER? "Ich träume nicht", entgegnet der frühere Fernsehkommentator. "Träumen kann man, wenn man die Macht hat. Jetzt ist politischer Kampf angesagt."
PETER VON ZAHN wirkte nur kurz, aber folgenreich im Düsseldorfer Studio des NWDR. Er hatte von Hamburg aus seine Kenntnis der NRW-Politik bewiesen. In Düsseldorf wollte er der Verbürokratisierung entfliehen und geriet doch bald in das Kreuzfeuer der (CDU-) Politik, wie der WDR heute selbst berichtet (Der WDR in Düsseldorf Geschichte und Geschichten) |
http://www.wdr.de/studio/duesseldorf/img/zahn_kl.jpg |
Den Wiederanfang nach dem 2. Weltkrieg machte in Düsseldorf PETER VON ZAHN. Er, der beim Nordwestdeutschen Rundfunk/NWDR in Hamburg zu den "Stimmen der ersten Stunde" gehörte, war nicht gerufen worden. Er hatte sich selbst zu einem Düsseldorfer Treff mit dem damaligen Kölner Funkhaus-Intendanten HANNS HARTMANN eingeladen, um diesen von der Notwendigkeit eines Hörfunkstudios in der neuen Landeshauptstadt zu überzeugen. Zugleich empfahl er sich selbst als Studioleiter. PETER VON ZAHN, dem in den ersten Jahren in Hamburg die dortige Handlungsfreiheit imponierte, war inzwischen die sich immer stärker ausbreitende Funkhausbürokratie leid geworden.
In Düsseldorf könnte er, so seine Hoffnung, als Studioleiter in der Praxis weitgehend sein eigener Herr sein. Der Kölner Intendant, um den Ausbau der Programme und der Technik bemüht, willigte in ZAHNS Vorschläge ein und setzte seine Berufung zum Studioleiter durch. Schließlich hatten ihn vier vorausgegangene, von Hamburg ausgestrahlte einstündige Sendungen PETER VON ZAHNS über die Probleme an der Ruhr vom Können seiner Neuerwerbung überzeugt...
Vor allem KONRAD ADENAUER passte PETER VON ZAHNS journalistische Richtung nicht. Als weder gezielte Beeinflussungsversuche noch "öffentliche Schelte" PETER VON ZAHN von seinen freimütigen Kommentaren und Berichten abhalten konnten - er hatte offene Sympathien für die Forderungen der Gewerkschaften in der Montanmitbestimmung gezeigt - ließ KONRAD ADENAUER durch seinen Bundesinnenminister ROBERT LEHR den damaligen NWDR-Generaldirektor ADOLF GRIMME wissen, dass man nunmehr in Bonn mit der Entlassung PETER VON ZAHNS rechne.
Daß "Parteifreund" die Steigerung von "Feind" ist, zeigt sich daran wieder mal. VON ZAHN ist - wie CARSTEN RAVE in der Berliner Morgenpost berichtete, CDU-Mitglied und will es auch bleiben ("Der Partei muß geholfen werden.").
Im November 1950 reiste VON ZAHN in die USA. In einem Artikel, den ich inzwischen nicht mehr im WWW finde, wird seine Arbeit an einem Beispiel geschildert. Obwohl ich damit das Thema "Aufbau des Rundfunks in der Nachkriegszeit" verlasse, scheint mir der Inhalt das zu rechtfertigen.
Bilder aus der Neuen Welt: Die amerikanische Frau
In den 60er Jahren war Amerika für den Großteil der Deutschen ein Wunderland des modernen Konsums: der "American Way of Life" diente als Vorbild und wurde eifrig kopiert. 1960 berichtete PETER VON ZAHN über die Rolle der Frauen in den USA: ein amüsantes Zeitdokument, das bei aller unfreiwilligen Komik einen durchaus ironischen Blick auf das amerikanische Schlaraffenland wirft.
Mrs. DOLORES CUMBLER ist der Inbegriff einer vorbildlichen amerikanischen Hausfrau: Sie lebt in einem Vorortreihenhaus, hat den Haushalt und ihre fünf Kinder feldwebelmäßig organisiert und sieht dank moderner Haushaltsmaschinen bei aller Arbeit immer tiptop frisiert aus. Ihre bevorzugte Abendgestaltung besteht, wie könnte es anders sein, im Engagement für gemeinnützige Aktivitäten.
Wenn PETER VON ZAHN und seine adrette amerikanische Kollegin KIM über die Rolle der Frau in den USA plaudern, sträuben sich mit Sicherheit so mancher Frauenrechtlerin die Nackenhaare: Zwanzig Jahre nachdem Frauen erstmals an die Wahlurnen schreiten durften, scheinen sie von Gleichberechtigung noch unendlich weit entfernt. Ihr Leben ist der Schönheitspflege, der Mode und der Familie gewidmet. Der Highschoolbesuch junger Mädchen dient in erster Linie dazu, sich einen Mann zu angeln. Die greise HELENA RUBINSTEIN, berühmte Kunstmäzenin und Gründerin eines Kosmetikimperiums, faßt ihre Philosophie treffend zusammen: "Schön zu sein hilft im Leben", sagt die große alte Dame.
Doch auch andere Stimmen werden laut: Eine New Yorker Psychiaterin berichtet, daß Eheprobleme vor allem aus der klassischen Rollenverteilung erwachsen. Auch die aus dem Ei gepellte amerikanische Co-Moderatorin gibt zu bedenken, daß die vielbeneidete Schönheit der Amerikanerinnen nur mit harter Disziplin und strengstem Kalorienzählen erkauft werde, und Mrs. DOLORES CUMPLERs 17 Stunden-Tag im Dienste für Familie und Vaterland wird von PETER VON ZAHN mit respektvollem Schaudern und unverblümter Ironie kommentiert.
Heute ist VON ZAHN mit dem Fernsehen unzufrieden:
Mit dem Fernsehen von heute ist der grauhaarige Herr, der immer noch so bedächtig, dabei aber auch in freier Rede wohl pointiert und druckreif redet, allerdings nicht so recht einverstanden: "Schnippel-TV. Schnell, kurz, knapp und nicht zu tief." Die jungen Kollegen, die als Auslandskorrespondenten in seine großen Fußstapfen getreten sind, beneidet PETER VON ZAHN nicht: "Sie unterliegen dem Diktat der Schnelligkeit."
Journalisten, die ZAHN heute schätzt, sind GERD RUGE oder HEINRICH BRELOER. Den ZDF-Historiker GUIDO KNOPP, der u.a. mit "HITLERs Helfern" Publikumserfolge feierte, hält er für "zu oberflächlich. Es ist nichts Neues, was er bietet, es ist nur neu arrangiert. Außerdem scheint es so, als habe er alles selbst gemacht, was nicht der Fall ist."
Das Fernsehen heute nennt er "Schnippel-TV" Von CARSTEN RAVE
Vgl. auch das "Tendenzen"-Gespräch mit PETER VON ZAHN.
Obwohl der Aufsatz
so heißt, erfahren die LeserInnen dort auch etwas über Schlager in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Zur Nachkriegszeit schreibt die Autorin u.a.:
Die Chance, an die 20er-Jahre anzuknüpfen, hatte der deutsche Schlager erst wieder nach der Kapitulation 1945. Swing, Jazz und all die von den Nazis verteufelte entartete Musik hauchten ihm neues Leben ein. Die Briten und Amerikaner brachten sie mit in ihre Besatzungszonen und in die Rundfunkstationen, die sie kontrollierten. So übernahm Radio München Midnight in Munich vom amerikanischen Soldatensender AFN.
Doch nicht lange wollten sich die Deutschen nach vorn orientieren. Schon mit der folgenden Italienwelle Italien war Deutschlands Verbündeter im Zweiten Weltkrieg und zu jener Zeit gern in Schlagern wie O mia bella Napoli (38), Frühling in Sorrent (40) oder Chiantilied (42) besungen worden sehnten sie sich wieder wehmütig nach alten Zeiten.
Nach dem Sturz MUSSOLINIs 1943 waren Italien-Schlager zwar tabu doch die schon während des Krieges komponierten Caprifischer feierten dennoch ihren Erfolg als erster Hit der Nachkriegszeit. Bella, bella, bella Marie, bleib mir treu, ich komm zurück morgen früh... Florentinische Nächte, Im Hafen von Adano folgten. Und mit ihnen die wieder auftauchenden Sehnsüchte nach der Heimat, Abschiedsschmerzen und Hoffnungen, dass einer käme, sie für immer zu erlösen.
Verheiratete Frauen warteten auf die Wiederkehr ihrer Ehemänner, die sich in Zeilen widerspiegelten wie Bei mir zu Haus, da blüht für dich ein schöner Garten. Bei mir zu Haus, da scheint die Sonne für uns zwei. Und falls er doch nicht käme, trösteten Worte wie Es wird ja alles wieder gut; nur ein klein bisschen Mut, lässt das Glück dich auch mal allein! Die Deutschen hatten eben wie einst in allen Lebenslagen zu bestehen wie Der Theodor im Fußballtor (1948): wie der Ball auch kommt, wie der Schuss auchfällt, der Theodor, der Held, der hält...
Der Blick in die Geschichte fördert recht interessante Parallelen zu Tage. Die sowjetische Besatzungsmacht beauftragte das RTB-Orchester schon kurz nach dem Ende des Krieges, am 27. Mai 1945, mit Tanzmusik für Stimmung im Volk zu sorgen. Es spielte Boogie Woogie, Swing und Jazz, sein Sound knüpfte an die 20er- und 30er-Jahre an. Da Originaltitel aus den USA und anderen Ländern erst zu Beginn der 50er-Jahre in den Handel kamen, übernahmen auch andere Künstler amerikanische Hits entweder mit englischem Originaltext oder mit deutschen Fassungen. So orientierte sich der Kötzschenbroda-Express am Original von GLENN MILLER Chattanooga choo choo. Später machte UDO LINDENBERG den Sonderzug nach Pankow daraus.
Auch der Musiker PAUL KUHN kann in diesem Zusammenhang genannt werden. Die Berliner Zeitung schreibt über ihn:
Im Alter von acht Jahren stand PAUL KUHN 1936 als Akkordeonspieler vor der Kamera in der ersten Fernsehsendung Deutschlands. Seine eigentliche Karriere begann im viergeteilten Berlin der Nachkriegszeit, wo er als exzellenter Jazz- und Unterhaltungsmusiker eine feste Anstellung beim Soldatensender AFN hatte. Die Grenzen zwischen anspruchsvollem Jazz und leichter Unterhaltung waren seinerzeit fließend, Swing war populäre Tanzmusik. Spätestens in den Fünfzigern wurde aus dem Pianisten PAUL KUHN das fernsehbundesweit bekannte "Paulchen".
GERHARD WINKLER (*1906 +1977) war der Komponist der von CHRISTINE WAGNER erwähnten "Caprifischer". Er wird auf einer eigenen Homepage gewürdigt:
Das sehnsuchtsvolle Lied von den Capri-Fischern zählt sicher zu den bemerkenswertesten Kompositionen dieses Jahrhunderts. 1943, als Deutschland in Schutt und Asche fiel, entstanden die ersten Aufnahmen für Rundfunk und Schallplatte. Durch den Kriegsverlauf in Italien war alles Italienische nicht mehr gelitten, die Platten wurden eingelagert.
Nach dem Krieg brach aus dem Grau der Trümmer der Wunsch nach südlicher Wärme kraftvoll hervor. Der Drang nach Süden erfüllte sich zuerst einmal vor allem im Schlager. Die Capri-Fischer wurden zum Gassenhauer, zum meistgespielten Lied der ersten Nachkriegsjahre. In den späten 70er Jahren begann die Auseinandersetzung mit den Nachkriegjahren und den Jahren des deutschen Wirtschaftswunders. Als musikalisches Erkennungszeichen wurden auch jetzt wieder sehr häufig die Capri-Fischer gewählt, der Begriff "Capri-Fischer" wurde zum Synonym der Nachkriegszeit und des Aufstiegs.
Ergänzend sei noch Die Musik: 10 Köpfe, die die Deutschen unterhielten genannt.
Hintergrundmusik: Choo2XG.MID
verzeihn sie, mein herr, ja, für geübte ist das reisen heute gar kein problem.
morgens fährt der zug an papestraße vorbei,
so fährt man heut |
pardon me, boy you leave the pensylvania station 'bout a quarter to four, there's gonna be |
'Tschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow? Ich hab' 'n Fläschchen Kognak mit "All die ganzen Schlageraffen dürfen da singen, "Ich weiß genau, "Hallo, Erich, kannst mich hören? Towarischtsch Erich! Meshdu protschim, verchownij sowjet ne imeet nitschewo protiw gastrole Gospodina Lindenberga w GDR! |
Nach dem zweiten Weltkrieg, 1945/46, hatte Kötzschenbroda den einzigen funktionstüchtigen Bahnhof im Umkreis von Dresden. So kam es, daß Fahrgäste von Berlin nach Dresden und Umgebung eben auf den "Zug nach Kötzschenbroda" angewiesen waren. Doch in dem Chaos damals war es gar nicht so einfach, den richtigen Zug ausfindig zu machen, geschweige denn, einen Sitzplatz zu bekommen