ERICH WEINERT

Justiz in Amerika

I
Frau Leutnant Massie hatte ihr Ehebett satt.
Und da eine weiße Dame ohne Beschäftigung
Auch sexuelle Abwechslung nötig hat,
So besorgte sie sich zur seelischen Kräftigung
Einen jungen Niggerboy fürs Gemüt,
Wie das ja in solchen Kreisen nicht selten geschieht.
Als Frau Leutnant nun genug von ihm hatte,
Meldete sie bei der Polizei mit großem Geschrei,
Daß sie von diesem Farbigen vergewaltigt worden sei.
Und was tat der in seiner Ehre gekränkte Gatte?
Er lud den armen Hund in die Wohnung ein
Und schlachtete ihn heimlich ab wie ein Schwein.
Auch die zarte Frau Leutnant, von Blutrausch gepackt,
Hat auf den ehemaligen Buhlen mit eingehackt.
Das war eine Sensation für die Nerven!
Dann wollten sie ihn ins Wasser werfen.
Sie hatten ihn schon im Auto gehabt.
Da hat sie die Polizei geschnappt.
Und es sprach das Gericht:
Hier stehen zwar zehn Jahre Zuchthaus drauf.
Aber so unmenschlich sind wir nicht,
Wir heben das Urteil gleich wieder auf.
Sie werden eine Stunde Gefängnis verbüßen.
Dann dürfen Sie wieder die Freiheit genießen.

II
Acht Negerjungen, zerlumpt und unter- ernährt,
Kletterten auf den Zug, der nach Memphis fährt.
Sie wollten nur nach der Stadt, um Arbeit zu kriegen.
Und wie sie da frierend hinter den Kisten liegen,
Hält der Zug. Vorn ist ein großes Geschrei.
Milizsoldaten und Weiße rennen herbei.
Man reißt aus dem Zug die zitternden Knaben.
Da stehen zwei weiße verhungerte Huren,
Die mit ihnen im selben Zuge fuhren;
Die sollten sie vergewaltigt haben.
Die Mädchen wissen nicht, was sie sagen sollen;
Die Jungen hätten sie gar nicht berührt.
Doch die Polizei hat Routine in Protokollen:
Ein paar Erpressertricks, die Jungen sind überführt.
Für Stimmung und Volkswut sorgt die Zeitung.
In Scottsboro tagt das Tribunal,
Justizkomödie mit Orgelbegleitung.
Acht arme Negerjungen stehn zitternd im Saal.
Und es sprach das Gericht:
Der Beweis ist geschlossen, die Schuld steht fest.
Ihr schwarzen Canaillen verdient es nicht,
Daß man euch länger am Leben läßt.
Der elektrische Stuhl steht für euch bereit,
Das Wahrzeichen heiliger Gerechtigkeit!

III
Genosse, sollte dich jemand fragen,
Was wir unter Klassenjustiz verstehn,
Dann mußt du ihm dieses Gedicht aufsagen!
Da wird ihm sehr schnell ein Licht aufgehn!

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