Volkspolizisten galten in der DDR nicht als besonders intelligent. Liest man das Buch
so kann bei oberflächlicher Betrachtung dieser Eindruck bestätigt werden. Manches wirkt unfreiwillig komisch und könnte im Kabarett verlesen werden (Ähnliches machten HELMUT QUALTINGER und SERDAR SOMUNCLU ja auch mit HITLERs "Mein Kampf"), wie ich gleich mit 2 Beispielen belege. Das wäre aber ungerecht. Das Milieu der VP ist wie fast jede Bürokratie auch hier und jetzt auch durch seine Sprache bürokratisch. Die Gliederung des Buches nach Stichworten ist z.T. nicht überzeugend. Warum gibt es für "Betreten von Wohnungen" zwei Hauptpunkte (10 und 11)? Warum ist die häusliche Gewalt an verschiedenen Stellen erwähnt (11 und 24)?
Betrachtet man den Inhalt, so stellt man fest, daß die DDR hier nicht als "Unrechtsstaat" erscheint, der sie auch war, sondern als in unpolitischen Bereichen vernünftig und teilweise verständnisvoll auftretende Obrigkeit. Positiv fällt auf, daß immer wieder die Grenzen der Befugnisse genannt werden, so muß z.B. die Zuführung, weil ein Bürger seine Personalien nicht angeben will, sofort abgebrochen werden, wenn er auf dem Weg zur VP-Dienststelle den Personalausweis doch vorzeigt. Selbst wo DDR-Organe vorkommen (Abschnittsbevollmächtigter oder Hygieneinspektion), können bei Übersetzung in westdeutsche Begriffe (Kontaktbereichsbeamter, Gesundheitsamt), Irritationen abgebaut werden. Sicher DDR-typisch ist die Einschaltung betrieblicher oder gesellschaftlicher Instanzen wie der Kontrollkommissionen.
Ein Streifenwachtmeister stellt in den späten Abendstunden fest, daß ein Passant in einem Straßenbahnwartehäuschen den Fahrplan abreißt und in den Papierkorb wirft. Bei der Belehrung zeigt er sich uneinsichtig. Der Aufforderung, den Personalausweis vorzuzeigen, kommt die Person nicht nach...
In $ 2 Absatz 1 OWVO wird demjenigen Verweis oder Ordnungsstrafe von 10 bis 500 Mark angedroht, der vorsätzlich eine öffentliche Bekanntmachung eines staatlichen oder gesellschaftlichen Organs, einer gesellschaftlichen Organisation oder eines Verkehrsbetriebes entfernt, beschädigt oder verunstaltet. Der Ausspruch einer Verwarnung mit Ordnungsgeld durch die ermächtigten VP-Angehörigen ist zulässig...
Für den Schuldnachweis wird der Volkspolizist den Passanten befragen, weshalb er den Fahrplan vernichtet hat. Erwidert er, ihm sei bekannt, daß er den Fahrplan nicht zerstören darf, es sei gleichgültig, ob der Fahrplan dort hänge oder nicht, denn die Bahnen halten ihn sowieso nicht ein, ist der ordnungsstrafrechtliche Vorsatz eindeutig nachgewiesen.
Ein Schutzpolizist wird in den Abendstunden darauf aufmerksam gemacht, daß zwei Jugendliche an einer Straßenecke stehen und ihr Kofferradio auf übermäßig große Lautstärke eingestellt haben. Dem Ersuchen einiger Passanten und der Bitte von Bewohnern der in der Nähe liegenden Grundstücke, die Radiogeräte leiser einzustellen, kommen die beiden Jugendlichen nicht nach. Was hat der Schutzpolizist zu veranlassen...
Nachdem er den Tagesgruß erwiesen und sich vorgestellt hat, wird er die Betreffenden etwa mit den Worten ansprechen: "Meine Herren, Sie stören mit Ihren Radiogeräten die öffentliche Ordnung. Ich fordere Sie auf, die Geräte sofort leiser einzustellen." In den meisten Fällen folgen die Angesprochenen der Aufforderung.
Weigern sie sich, der Forderung nachzukommen, und besteht keine andere Möglichkeit, die Störung zu unterbinden, nimmt der Volkspolizist die Geräte in Verwahrung...
Zeigen sich die Rechtsverletzer den Forderungen und Belehrungen des Volkspolizisten sofort aufgeschlossen, emtschuldigen sie sich und stellen sie ihre Koffergeräte ab, so kann eine mündliche Belehrung ausreichen. Trotzdem ist zu überlegen, ob die Personalien festzustellen und über den Vorgesetzten [des Volkspolizisten] der Schule bzw. Arbeitsstelle es mitzuteilen ist, damit dort auf die Betreffenden - schon wegen ihres schlechten Verhaltens anderen Bürgern gegenüber - erzieherisch eingewirkt wird...