Verrückte Weiber

Louise Maier, wohnhaft in der Goethestraße
schreckt auf aus ihren Träumen früh um vier
Mit Stiefeltritten brechen Männer durch die Tür
Sie hört Geschrei und sieht, noch ohne zu begreifen
wie Fremde ihren Sohn zu einem Auto schleifen
Erst hat sie Angst - dann packt die Wut sie immer mehr
Im Morgenmantel rennt sie raus, dem schwarzen Wagen hinterher
doch das ist sinnlos - sie ist zu alt
Die Polizei läßt dieser ganze Vorfall kalt
Die aufgeregte Frau im Nachthemd amüsiert sie sehr
So kriegt sie nicht mal eine Strafe für ihr Keifen.

Und auf dem Marktplatz stehen stumm
ein paar verrückte Weiber rum
Die kommen täglich - trotz Verbot der Polizei
Sie haben Trauerkleidung an
Die Zeitung meldet dann und wann
daß diese Frau'n nicht bei Verstand sind
und eine Schande für das Land sind
und daß Moskau sie bezahlt
für ihre dreiste Lügerei.

Isolde Schmidt hatte mehr Glück als Verstand
daß sie den Mann und ihre Söhne wiederfand
Ihr Mann lag tot in einem Bushc am Straßenrand
Und sie fand auch, nach einer Suche ohnegleichen
in einem Keller, voll von halbverfaulten Leichen
die beiden Söhne, von der Folter ganz entstellt
Frau Kreuz fragt bei Behörden an, wo man den Sohn gefangen hält
und stellt Gesuche allerseits
sie schreibt auch lange Briefe an das Rote Kreuz
Und abends sitzt sie in der Küche, tränenleer und ausgebrannt
mit der Hand über ein kleines Photo streichen.

Und auf dem Marktplatz stehen stumm
ein paar verrückte Weiber rum
Die kommen täglich - trotz Verbot der Polizei
Sie haben Trauerkleidung an
Die Zeitung meldet dann und wann
daß diese Frau'n nicht bei Verstand sind
und eine Schande für das Land sind
und daß Moskau sie bezahlt
für ihre dreiste Lügerei.

Maria Schulze wurde Zeugin des Verhörs
von ihrer Tochter, die ein Baby in sich trug
Sie sah, wie man sie mit dem Gummiknüppel schlug
und dann, als sie sich trotzdem weigerte zu reden
begann, ihr mit den Stiefeln in den Bauch zu treten
bis sie dann starb unter dem Kolben des Gewehrs
Nun werden sicher viele sagen, die Geschichte sei pervers
Solche Visionen gehn zu weit
Doch alles dies ist leider bitt're Wahrheit
Verändert hab ich nur die Namen und die Orte Vers für Vers
als hätt' das alles was zu tun mit unserm Leben.

In Santiago stehen stumm
ein paar verrückte Weiber rum
Wen interessiert es? Südamerika ist weit -
Die Zeitung schreibt was, dann und wann
Wir denken: Was geht uns das an
Für uns ist das nur halb so wichtig
Und außerdem, womöglich richtig
wenn man behauptet, diese Weiber
sind im Kopf nicht ganz gescheit.

Text: Robert Long/Michael Kunze
Musik Robert Long
LP: Tag, kleiner Junge

siehe auch:

 

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