Wendekreisberechnungen in Servicezeit Verkehr

WDR Fernsehen
Servicezeit Verkehr
Appellhofplatz
Köln

3. April 1997

[Ihre Zeichen/Ihre Nachricht vom] [Unsere Zeichen/Unsere Nachricht vom]
  WDR97401.DOC

Wendekreisberechnungen in Servicezeit Verkehr

Sehr geehrte Damen und Herren,

schon oft habe ich mich darüber gewundert, wie Sie den Wendekreis der getesteten Fahrzeuge berechnen.

Die Wagenbreiten verraten Sie an dieser Stelle nicht!

In Wirklichkeit müßten Sie berechnen, wie weit die Position des vor Beginn des Wendens äußersten Ecke von der nach dem Wenden entfernt ist. Wenn sie nach links wenden, liegt die rechte vordere Ecke am weitesten von dem Mittelpunkt der Kreise bzw. Teilkreise entfernt, die man erhält, wenn man die Bewegungen beliebiger Punkte des Fahrzeuges aufzeichnet. Sie wählen zum Aufzeichnen den innersten Punkt des innersten Hinterrades und addieren dazu die Wagenbreite. Sie messen den Innenkreis und behaupten nun, dieser plus zwei mal Wagenbreite sei der Wendekreis. Es handelt sich aber nur um den Weg des äußersten Hinterrades an der Außenseite des Reifens. Das Ergebnis dieser Berechnung ist so gut wie wertlos:

  1. müßte der Spurkreis (wenn Sie den meinen) in der Reifenmitte gemessen werden
  2. ist der Abstand zwischen den Außenseiten der Hinterreifen meist etwas kleiner als die Wagenbreite, weil Reifen nicht überstehen dürfen.
  3. haben alle vier Reifen beim Wenden verschiedene Spurkreis, den geringsten hat das innere Hinterrad, den größten das äußere Vorderrad.
  4. beschreibt jeder Punkt am Fahrzeug einen Kreis, wenn das Fahrzeug selbst im Kreis fährt. Auf Schnee oder Matsch kann man das gut beobachten: Jeder Reifen beschreibt einen Kreis und nur bei einem bestimmten Lenkradeinschlag kann der Kreis des inneren Vorderrades mit dem des äußeren Hinterrades zusammenfallen. Meist sieht man aber vier verschiedene Kreise. Das innere Hinterrad beschreibt immer den kleinsten, engsten Spurkreis, das äußere Vorderrad immer den weitesten.
  5. braucht das Fahrzeug in Wirklichkeit sogar mehr Platz als das äußerste Vorderrad beschreibt, denn der vordere Überhang ragt noch über diesen Kreis hinaus. Besonders deutlich wird das z.B. bei Bussen. Sie können sich an Haltebuchten selbst davon überzeugen, wie weit der vordere Einstieg beim Einfahren in die Haltebucht über den Bürgersteig ragt.

Bleiben wir bei dem Busbeispiel, so dürfte klar sein, daß man den Bürgersteig halbkreisförmig in der Breite der Spur anlegen könnte, die das äußere Vorderrad beschreibt. Der Bus könnte wenden, wobei Fußgänger seinem vorderen Überhang ausweichen müßten. Würde man auf diesem Kreis oder Halbkreis Mauern errichten, könnte der Bus nicht mehr wenden.

Wie groß ist der Wendekreis denn wirklich? Am einfachsten wäre, Sie markieren die Position des äußersten Punktes des Fahrzeugs, also wenn Sie nach links wenden, vorne rechts, fahren einen Halbkreis und markieren wieder die Position dieses Punktes. Eine gedachte Linie zwischen diesen beiden Punkten führt genau durch den Mittelpunkt, um den Sie herumgefahren sind. Dann messen Sie den Abstand zwischen vorher und nachher. Das ist der Wendekreisdurchmesser.

Sie können aber auch mit etwas Mittelstufenmathematik den Wendekreis aus anderen Größen berechnen: Deshalb habe ich Ihnen an einem kleinen Beispiel ausgerechnet, wie sehr Sie daneben liegen können: An den Satz des Pythagoras erinnern Sie sich vielleicht noch als a2 + b2 = c2. Das müssen Sie auf das rechtwinklige Dreieck übertragen, das gebildet wird aus

Ich gehe von 2,90 m Innenradius, also 5,80 m Innenkreis aus, der Wagen sei 1,70 m breit, die Hinterräder liegen 3 m hinter der Vorderkante des Fahrzeugs.

Das sind Werte, die ungefähr zu den getesteten Kleinwagen passen.

Sie berechnen daraus 9,20 m Wendekreis (2*(2,90+1,70)). Ich berechnet mit dem Satz des Pythagoras zunächst den Abstand der äußeren Ecke zum Mittelpunkt .

Das ist der äußerste Radius. Der wirkliche Wendekreis ist doppelt so groß, etwa 11 m.

Wenn Sie mit EXCEL arbeiten, können Sie auch die Formeln dieses Arbeitsblattes benutzen.
  • In A1, A2 und A3 habe ich die Voraussetzungen eingegeben.
  • In A5 berechne ich mit Ihrer Formel =2*(A1+A2) den Außenkreis des äußeren Hinterrades,
  • in A6 mit dem Satz des Pythagoras =((A1+A2)^2+A3^2)^0,5 den Wenderadius, wobei die Quadratwurzel mit "^0,5" gezogen wird,
  • und in A7 den Wendekreis mit =2*A6.

Als ich zum erstenmal sah und hörte, wie dumm Sie den Wendekreis berechnen, dachte ich, das passe zum neuen Logo des Westdeutschen Rundfunks: Der WDR hat eine Ecke ab. Es ist jetzt an Ihnen, zu beweisen, daß es nicht dazu paßt.

Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schnitzler


Auf meinen Brief hat der WDR nicht reagiert. Die Wendekreise werden inzwischen besser ermittelt, aber das geschah mit so großem Abstand zu meinem Schreiben, daß ich dazwischen keinen Zusammenhang vermute.

 

Übersicht Ärgernisse Home Email