Meine E-Mail an Frau Kaufmann
Nachträge zu erwähnten Argumenten
Cem Özdemirs Wahlkampfauftritt
2 Fragen an das Europabüro Schulz
Vergleich der Reaktionen auf den Parteiaustritt
Bei der Europawahl 2009 habe ich erstmals seit Jahren wieder Bündnis90/Grüne gewählt (siehe Foto meines Wahlzettels aus der Stimmkabine). Wie kam es dazu? Es begann wohl damit, daß die beiden PDS-Politiker, die im Europäischen Konvent den Verfassungsentwurf mitberaten hatten und nun befürworteten, von der Linkspartei nicht wieder aufgestellt wurden. Die Fraktionsvorsitzende SYLVIA YVONNE KAUFMANN wechselte danach zur SPD. Mir wäre nicht in den Sinn gekommen, deshalb (in meinem Fall wieder) in die SPD einzutreten. Aber sie diesmal zu wählen, war mir eine Überlegung wert. Gerne hätte ich vorher aber noch Auskünfte von Frau KAUFMANN bekommen, also schrieb ich ihr.
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Von: "Norbert Schnitzler"
Gesendet: 19.05.09 13:16:20
An: sylvia-yvonne.kaufmann@europarl.europa.eu
Betreff: Mußte das sein?
Sehr geehrte Frau KAUFMANN,
am 10.5.2009 sagte ich einem überraschten Freund, daß ich bei der Europawahl wohl zum ersten mal seit 2 Jahrzehnten wieder SPD wählen werde. Ein Grund, den ich ihm nannte, war die miese Behandlung der beiden linken MdEPs bei der Aufstellung der Kandidatenliste durch ihre Partei, die für den Verfassungsvertragsentwurf waren. Sie haben nun die Partei gewechselt und sind in die SPD eingetreten, aber statt mich bestätigt zu fühlen, frage ich Sie (bzw. einen Mitarbeiter, der... oder eine Mitarbeiterin, die meine Mail liest): Mußte das sein?
Ein Wahlaufruf zugunsten der SPD hätte doch gereicht. Wie kam es, daß es darüber hinaus ging? Im DLF hörte ich, daß Sie in mehreren Gesprächen Ihre Unbedenklichkeit beweisen mußten. FRANZ MÜNTEFERING sprach davon, daß mehrere Gespräche mit Ihnen geführt wurden, aber mir ist nicht klar, ob er die selbst geführt hat oder MARTIN SCHULZ oder irgendein untergeordneter Inquisitor. Haben Sie auch über seine These gesprochen, es sei unfair, an Wahlversprechen erinnert zu werden? (1)
Ich höre oder lese gelegentlich, daß die Politik über Nachwuchsmangel klagt, mich wundert aber mehr, daß so viele alte Menschen noch Parteimitglieder sind. Die müßten doch inzwischen fast alle enttäuscht sein. So war ich selbst in den achtziger Jahren SPD-Mitglied und bin mit 30 ausgetreten. (2) Sie sind 1976 in die SED eingetreten und verlassen jetzt nach schlechten Erfahrungen die Nachfolgepartei. Das kann ich nachvollziehen. Jetzt könnten Sie sich doch aus der Politik zurückziehen. Für ein SPD-Mandat in Brüssel und Straßburg ist es sowieso zu spät.
Um nochmal auf den DLF zurückzukommen. Dort hörte ich auch, daß Ihnen der Wahlomat die Grünen nahelegte. Mir ist das auch schon vom Wahlomat bei einer früheren Wahl geraten worden. Was sprach denn für Sie gegen die Grünen? Europapolitisch habe ich keinen negativen Eindruck von denen, MICHAELE SCHREYER fand ich sogar ganz hervorragend. Meine Vorbehalte gegen diese Partei stammen auch nicht aus der Zeit der Regierungsbeteiligung im Bund, sondern sind älter. Ideologisch war für mich klar, dass ich in diese Partei nicht eintreten will, als sie noch männerfeindlicher war als heute und z.B. ein nächtliches Ausgehverbot für Männer forderte. Ich will mich nicht ständig als potentieller Vergewaltiger angiften lassen. Die Grünen zu wählen war für mich aber nicht ausgeschlossen und auch Kompromisse zugunsten eines stärkeren Koalitionspartner habe ich erwartet. Ich wohne in Aachen (NRW) und habe 1995 die Grünen bei der Landtagswahl gewählt, obwohl ich nicht erwartete, daß sie den Braunkohlentagebau "Garzweiler 2" verhindern würden. Das stand dann auch nicht im Koalitionsvertrag, wohl daß Flughäfen nicht mit Staatsgeldern gefördert werden sollten. Das hatte auch die SPD unterschrieben, sich aber nicht daran gehalten. Danach habe ich die Grünen nicht mehr gewählt, weil sie den Bruch des Koalitionsvertrags hingenommen hat. Mit denen kann wohl jede Politik gemacht werden. Selbst FRANZ MÜNTEFERING, der nichts davon hält, an Wahlversprechen gemessen zu werden, erkennt Koalitionsverträge an: „Niemand kann in diesem Bündnis seine ursprünglichen Ziele reinrassig umsetzen. Die Koalition hat einen Vertrag geschlossen, und der gilt nun, und der ist nun die Meßlatte.“ (3)
Nun will ich Ihnen auch noch verraten, was m.E. gegen die SPD spricht und frage Sie: Was sprach denn für Sie für die SPD? M.E. spricht in diesem Wahlkampf für die SPD die Kompetenz ihres Spitzenkandidaten, der bei Phoenix auch GREGOR GYSI, der nur bundespolitische Argumente hatte "alt aussehen" ließ. Schaut man etwas genauer hin, bröckelt dieser Glanz allerdings auch. Ich habe MARTIN SCHULZ zweimal in Würselen gehört. Hinterher habe ich ein paar Fragen an seine Mitarbeiter MIX und HANSEN gerichtet, die immer schnell beantwortet wurden. Nur fehlt mir der Glaube, daß die SPD wirklich, wie er sagte, den Beitritt Georgiens zur NATO verhindern würde. Niederländische Sozialdemokraten haben ihn schon befürwortet. Da können auch deutsche noch einknicken. Und meine Besorgnis über die EU-Richtlinie, die seit Ostern krumme Mengeneinheiten zur Verwirrung der KäuferInnen ermöglicht, hat man abgetan. Immerhin innerhalb von 2 Tagen unter Angabe von Hyperlinks.
Auch schon früher habe ich über die Europapolitik der SPD gelegentlich den Kopf geschüttelt. 1994, als Sie hoffentlich noch an der Ostsee nackt badeten, warb das EP hier mit einer harmlosen Zeichnung für Wahlbeteiligung. "Zu sehen war ein dynamischer Stier, der durch den Feuerkranz der (noch) zwölf europäischen Sterne reitet - auf dem Rücken eine junge lächelnde Frau, mit nichts weiter bekleidet als mit einem knappen Bikini. „Wählen gehen!“ heißt es am unteren Rand. Als „frauenfeindlich“ und „geschmacklos“ geißelte die stellvertretende SPD- Parteivorsitzende HEIDEMARIE WIECZOREK-ZEUL die Abbildung."(4) Die war selbst mal im EP und war davon begeistert: „Ich freue mich darüber, hier sagen zu können, was in der verklemmten SPD zu Hause gar nicht mehr möglich wäre.“ (5) "verklemmt" finde ich in dem Zusammenhang pikant.
Sie kennen die PDS bzw. Linkspartei von innen, die SPD aber nicht. Ihr negatives Urteil über die einen ist fundierter als ihr positives über die anderen. Richten Sie sich doch erst mal (wie ich) ein paar Google-News-Alerts zu führenden SPD-PolitikerInnen ein und verfolgen Sie die Ergebnisse mindestens ein Jahr. Dann werden Sie vielleicht auch lieber parteilos bleiben.
Beobachten Sie nicht nur abgehalfterte Politiker der Vergangenheit wie SCHRÖDER oder CLEMENT oder bald abgemeldete wie WOLFGANG TIEFENSEE, sondern solche, die schon jetzt so schlimm sind, daß sie zu Recht eine Zukunft noch vor sich zu haben glauben:
Lassen Sie sich von SCHRÖDER-Opfern wie RUDOLF DRESSLER oder OTTMAR SCHREINER berichten, wie in Ihrer neuen Partei mit Leuten umgegangen wurde, die z.B. bei den "Arbeitsmarktreformen" gegen die SCHRÖDER-Linie stimmen wollten. Mehr Stalking und Mobbing werden Sie bei der PDS für Ihre Befürwortung der EU-Verfassung auch nicht erlebt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schnitzler
Trierer Str. 297
52078 Aachen
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Zum von der SPD abgelehnten NATO-Beitritt Georgiens schrieb ich am 22.0.2008 dem Europabüro Schulz:
Das Argument MARTIN SCHULZ' gegen die Forderung der Linkspartei, aus der NATO auszutreten, hat mich damals beeindruckt. Man nimmt ja nicht aus jeder Veranstaltung etwas mit, was man vorher noch nicht wußte, aber daran hatte ich noch nicht gedacht: Wenn man etwa die Aufnahme Georgiens in die NATO verhindern wolle, müsse man drin bleiben, damit ein Staat dagegen stimmen könne. Für die Aufnahme weiterer Mitglieder sei nämlich Einstimmigkeit erforderlich.
Während ich diese Argumentation in den folgenden Wochen schon weiter verbreitete, wurde ich von diesem Elsevier-Bericht überrascht:
PvdA draait: toch NAVO-lidmaatschap Georgië
vrijdag 19 september 2008 07:33
Als het aan de PvdA in de Tweede Kamer ligt wordt Georgië lid van de NAVO. Zo kan tegenwicht worden geboden tegen de Russische dreiging. Dat zeggen PvdA-Kamerleden Luuk Blom en Martijn van Dam tegen de NOS. Georgië moet wel garanties geven over democratie en mensenrechten.
vielleicht erinnern Sie sich daran, dass GERHARD SCHRÖDER seinerzeit hart geblieben ist bei der Frage, ob Deutschland in den Kampf gegen SADAM HUSSEIN in den Irak zieht. Seinerzeit war Steinmeier Kanzleramtsminister und hat die Entscheidung Schröders und Deutschland maßgeblich vorbereitet. Insofern ist ein Kanzlerkandidat STEINMEIER schon ein verläßlicher Kandidat.
Das hat seinerzeit Deutschland aus amerikanischer Sicht den Ruf eingebracht "Old Europe" zu sein. Damals war übrigens TONY BLAIR dafür verantwortlich, dass das Vereinigte Königreich mitgemacht hat und auch mit Truppen im Irak ist. Insofern gibt es in der großen sozialdemokratischen Familie unterschiedliche Ansätze, die es im übrigen auch bei den Konservativen gab und gibt.
Die erwähnte Karikatur, gegen die HEIDEMARIE WIECZOREK-ZEUL vorging, meine ich hierin wieder zu erkennen. Die Grafikdatei habe ich aus zwei Schnappschüssen einer Sendung auf Phoenix zusammengebastelt.
Ich hatte meine E-Mail an die Europaparlamentarierin geschickt. Die Homepage von Frau KAUFMANN war schon geleert, die der linken Fraktion im EP tat noch so, als sei sie eine der ihren. Das ist insbesondere schade, weil die Homepage von SYVIA-YVONNE KAUFMANN 2004 einer der besten Politikerhomepages war, wie ihre Werbeagentur sich selbst rühmt:
Regelmäßig testet das Online-Magazin Politikerscreen Websites von Politikerinnen und Politikern, so auch dieses Jahr anlässlich der bevorstehenden Europawahl. Die Tests gelten allgemein als Messlatte und Gütesiegel für die Qualität der Internetauftritte von deutschen Politikern und Politikerinnen.
Unter den PDS-Kandidaten erzielte SYVIA-YVONNE KAUFMANN das beste Ergebnis. Mit der Website, die wir vor immerhin schon zwei Jahren für Frau Kaufmann konzeptionierten und auf der Basis unseres Content-Management-Systems KONTEXT realisierten, wurde sie darüber hinaus noch Landessiegerin Ihrer Herkunftsregion Berlin.
2010 sieht sie noch immer so aus:
Für Leute, die behaupten, das Internet vergesse nichts, ist das eine Herausforderung. Aydan Özoğuz soll mir die alten Inhalte zeigen!
Offenbar sucht die Politikerin nicht mehr die Öffentlichkeit. Auf Fragen wie meine E-Mail oder in Abgeordnetenwatch antwortet sie nach dem 15.5.2009 auch nicht mehr. Da verwies sie auf ihre Presseerklärung, die aber nichts zur Beantwortung meiner Fragen, insbesondere, ob es denn nötig war, der SPD auch beizutreten, hergibt:
Ich will ein starkes soziales und demokratisches Europa. Als Sozialistin und überzeugte Europäerin werde ich künftig in und mit der SPD für ein Europa streiten, das für die Menschen da ist.
Bald endet mein Mandat als Europaabgeordnete. Entsprechend der Erwartung linker Wählerinnen und Wähler und aus tiefster persönlicher Überzeugung habe ich mich viele Jahre für die Vertiefung der europäischen Einigung sowie für soziale und demokratische Fortschritte in der Europäischen Union engagiert.
Mein politisches Leben ist seit fast 20 Jahren eng mit Europa verbunden. Es begann 1990 im Europarat und dann von 1991 bis 1994 als Abgeordnete mit Beobachterstatus im Europäischen Parlament. Elf Jahre war ich im Parteivorstand der PDS für Friedens-, internationale und Europapolitik verantwortlich, davon viele Jahre als stellvertretende Parteivorsitzende. 1994, 1999 und 2004 war ich Spitzenkandidatin meiner Partei für die Europawahlen. Seit 1999 bin ich Mitglied des Europäischen Parlaments. Dort übte ich mehr als sieben Jahre die Funktion einer stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion GUE/NGL aus, und war von 2004 bis 2007 Vizepräsidentin des Parlaments. Zehn Jahre lang war ich das einzige Mitglied der Fraktion im Verfassungsausschuss des Parlaments. Ich gehörte – als einzige Frau aus der Bundesrepublik Deutschland – sowohl dem Konvent zur Erarbeitung der EU-Grundrechtecharta als auch dem Europäischen Verfassungskonvent an. Nicht ohne Stolz kann ich heute auf konkrete Arbeitsergebnisse zurückblicken, die bleiben werden. Auch freue ich mich darüber, dass mein langjähriges Wirken für die europäische Integration über Parteigrenzen hinweg Anerkennung gefunden hat.
Dennoch hat der Europaparteitag der LINKEN in Essen entschieden, mich nicht erneut für das Europäische Parlament zu nominieren. Als Demokratin respektiere ich das, denn die Tätigkeit als gewählte Abgeordnete ist immer nur ein Mandat auf Zeit.
Als Sozialistin und überzeugte Europäerin will ich aber nicht länger für die europapolitische Geisterfahrt in Haftung genommen werden, die von diesem Parteitag beschleunigt wurde. Die LINKE hat sich dort in ihrem Nein zum Lissabonner Reformprojekt der EU endgültig einbetoniert. Man kann den Vertrag von Lissabon durchaus von links kritisieren. Was aber nicht geht, ist, Inhalte zu verfälschen und alle seine unbestreitbaren Fortschritte zu leugnen. Genau das aber ist passiert. Pure Ideologie siegte über Vernunft. Vorige Woche, an meinem letzten Arbeitstag in Straßburg, habe ich dies erneut erfahren. Dieselben Linken, die keine Gelegenheit auslassen, das Demokratiedefizit in der EU zu beklagen, verweigerten sich allen ernsthaften Schritten, die das Europäische Projekt demokratischer machen. Die linke Fraktion im Europaparlament stellte sich gegen die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative, weil sie an Lissabon gekoppelt ist.
Die LINKE hat nicht begriffen, dass das geeinte Europa in Gestalt der Europäischen Union nie zustande gekommen wäre, wenn andere politische Kräfte über Jahrzehnte hinweg ihre eigenen Vorstellungen zum alleinigen Maß aller Dinge erhoben hätten. Mit Verbalradikalismus und Fundamentalpposition sind die kulturelle Hegemonie des Neoliberalismus und der Marktradikalismus in der EU nicht zu brechen und die Herausforderungen der Globalisierung nicht zu bewältigen. Dazu bedarf es in Europa glaubwürdiger Konzepte, die von der Lebenswirklichkeit ausgehen, die auf Gestaltung der Gesellschaft und das Ringen um breiteste demokratische Mehrheiten setzen. In diesem Sinne war ich als Mitbegründerin der PDS bemüht, der Partei ein klares proeuropäisches Profil zu verleihen. Nunmehr stelle ich fest, dass ich damit komplett gescheitert bin. Deshalb habe ich DIE LINKE verlassen.
Ich bin davon überzeugt, dass es einer gestärkten Sozialdemokratie bedarf, um die politische Achse in Europa nach links zu verschieben. Mit ihrem Europamanifest hat die SPD ein überzeugendes Programm für die Europawahlen. Das werde ich gerne unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia-Yvonne Kaufmann
Cem Özdemirs Wahlkampfauftritt |
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Im Juni 2009 sollte ich Frau KAUFMANN aus nächster Nähe erleben. Einen Tag später erfuhr ich noch Positives über sie vom grünen Spitzenkandidaten CEM ÖZDEMIR, der in Aachen sprach. Als ich verspätet bei seiner Rede eintraf, kritisierte er gerade das "ZK" der Linken, die sie nicht mehr aufstellen wollten. Danach meldete ich mich mit einer Frage:
Ich erwähne dieses Erlebnis zuerst, weil ich zu der Veranstaltung mit Frau KAUFMANN dem Europabüro Schulz schrieb und dabei auf das von ÖZDEMIR erwähnte Buch einging.
2 Fragen an das Europabüro Schulz |
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Zur Veranstaltung hatte ich meine E-Mail ausgedruckt und habe sie auch in Schriftform (über MARTIN SCHULZ, der zwei Reihen vor mir saß und mich aus früheren Veranstaltungen (er)kannte Frau KAUFMANN übergeben.
Ich wandte mich am 10 Juni an MARTIN SCHULZ' Europabüro, wo man mich ja schon kannte und von wo ich wie immer eine schnelle Antwort erwartete. STEFAN MIX antwortete noch am gleichen Tag
wer war eigentlich der Moderator bei der Veranstaltung im Eurogress? Ist das jemand von einer Zeitung (wie so oft bei Veranstaltungen) oder aus der Partei?
Antwort: das war ein Journalist, den der Parteivorstand engagiert hatte. Er ist freier Journalist und heißt Dr. MATTHIAS FRANCK und kommt aus Berlin.
Am Samstag habe ich mir auch CEM ÖZDEMIR am Holzgraben angehört.
Er lobte 2 mal das Buch von SYLVIA YVONNE KAUFMANN
und sprach auch sonst lobend von ihr (hätte sie auch gerne zu seiner Partei rübergezogen). Das Buch kannte ich noch nicht. Daher meine zweite Frage:
2. Wie kommt es, daß die SPD im Eurogress die Gelegenheit nicht nutzte, das Buch zu verkaufen, die Autorin signieren zu lassen und dabei Parteispenden zu sammeln?
Antwort: dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Aber Frau KAUFMANN hat dies nicht angeregt. Außerdem musste sie schnell nach der Veranstaltung Aachen verlassen, um den letzten Flieger nach Berlin zu bekommen.
Vergleich der Reaktionen auf den Parteiaustritt | oben |
Der Parteiaustritt der Spitzenkandidatin hat die Linke getroffen, vielleicht nicht so hart wie die SPD der Verlust ihres ehemaligen Vorsitzenden, aber immerhin hätte sich jede Partei fragen müssen, wie es dazu kommen konnte. Interessant ist der Vergleich der Reaktionen.
Im blog von HALINA WAWZYNIAK, inzwischen stellvertretende Parteivorsitzende, wird die innerparteiliche Reaktion und Diskussion so zusammengefaßt:
Während der Sommer noch auf sich warten lässt, gab es in meiner Partei ein wenig Gewitter. Nach dem Austritt von SYLVIA-YVONNE KAUFMANN aus der Partei DIE LINKE und ihrem Übertritt zur SPD war mir am 14. Mai 2009 nach Innehalten.
Die Hoffnung, dass auch andere dies machen würden, erwies sich leider als Trugschluss. Unter dem Motto: “Bravo, Bravo, Hurra - Zeit für innerparteiliches Losprügeln ist da” wurde wenig kulturvoll agiert. Eine gute Zusammenfassung der gesamten Vorgänge findet sich hier.
Nachdem nun einige enorm viel zur Wiederherstellung ihrer Reputation unternahmen haben sie nun Weitsicht und Loyalität unter Beweis gestellt, in dem sie den Aufruf “Ringen wir darum IN unserer Partei!” verfassten. Dieser Aufruf war aus meiner Sicht nötig, wie ich auch einem Kollegen von der bbp (böse, bürgerliche presse ) erklärte, als Signal, dass es uns um jede/n leid tut, der unsere Partei verlässt und als Signal, dass es kein Verständnis für einen Übertritt zur SPD gibt. “Klammheimliche Freude” oder gar Aufforderungen an weitere Genossen/innen zu gehen sind nicht hinzunehmen und gehören öffentlich zurückgewiesen. Die Erklärung war nötig um eine kulturvolle Debatte neu zu eröffnen, nachdem Kulturlosigkeit regierte. Eine kulturvolle Debatte um unsere Angebote an die Gesellschaft, an Bürgerinnen und Bürger und um unsere Strategie zur Durchsetzung dieser Angebote.
Ich sehe im Moment (also: IM MOMENT) keine Gefahr einer Spaltung, vielleicht ist der Aufruf aber auch ein Signal, dass es nicht so weiter geht, dass mit den einen immer verhandelt wird und mit ihnen Kompromisse geschlossen werden, während man bei den anderen auf die vorhandene “Parteidisziplin” setzt und glaubt, dass sie am Ende doch alles mittragen.
Im oben erwähnten Forum Demokratischer Sozialismus hieß es:
Wir freuen uns nicht, wenn langjährige Mitstreiterinnen und Mitstreiter bei uns keine Zukunft und kein Zuhause mehr sehen. Zu sagen, jeden Tag wechselten mehr Sozialdemokraten zu uns, als umgekehrt, greift zu kurz. Viele von uns sind traurig, empört oder enttäuscht. Die offen zur Schau gestellte Freude anderer, verbunden mit dem Hinweis, wer unsere Partei auch noch verlassen möge, sind an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten.
Wir appellieren an alle Mitglieder unsere Partei, sich um eine neue Kultur des Wettstreits der Ideen für unsere Politik zu bemühen. Das Jahr 2009 ist eine wichtige Bewährungsprobe für uns, lasst sie uns gemeinsam nutzen! Eine LINKE ohne Pluralismus wäre eine sehr eintönige Veranstaltung, die auch auf die Menschen im Land wenig Ausstrahlungskraft haben dürfte.
In PETRA PAUs Archiv gibt es immer noch Bilder von ihr im Europawahlkampf 2004 für die PDS. Also zumindest das Retuschieren von Fotos ist der "SED-Nachfolgepartei" nicht mehr vorzuwerfen.
STEFAN LIEBICH schrieb dazu:
SYLVIA-YVONNE KAUFMANN geht zur SPD ...
was mich sehr traurig macht. Sie hat die Politik der LINKEN und vor allem der PDS seit deren Beginn geprägt, nicht nur im Europabereich. Ich habe mit ihr gut zusammengearbeitet und werde dies weiter tun. Vermutlich wird Sylvia-Yvonne in der SPD nicht das finden wird, was ihr bei der LINKEN fehlt. DIE LINKE sollte diesen Schritt zum Anlass nehmen, innezuhalten und nachzudenken, welche Partei wir wollen. Politisch, personell, aber auch kuturell. Kontroversen, auch transparent geführt über Flügel - ja, Entscheidungen, die das deutlich machen, was die Partei in ihrer Mitte politisch will - ja. Aber auch einen Umgang miteinander, der nicht Sieger und Besiegte erzeugt, sondern eine Partei die durch Debatten klüger wird. (Zu beidem hat die PDS Erfahrungen einzubringen.) Ich wünsche mir jedenfalls eine Partei, deren Mitglieder, auch wenn sie einmal in der Minderheit sind, das Gefühl haben können, dass sie mit der Mehrheit trotzdem mehr verbindet als trennt.
Von links wird der Parteiaustritt so kritisiert:
SYLVIA-YVONNE KAUFMANN hat also eine sozialdemokratische Partei (Die Linke) verlassen und ist direkt in die andere sozialdemokratische Partei (die SPD) gewechselt. Unter anderem wegen europapolitischer Differenzen zwischen ihr und der Linken. Wirklich glaubhaft ist das so kurz vor der Europawahl nicht. SYLVIA-YVONNE KAUFMANN ist nämlich nach mehr als 15 Jahren Brüsselei mit einer weiteren Kandidatur auf dem Europaparteitag der Linken grandios gescheitert. Aus politischen Gründen hätte sie die Linke schon vor Jahren verlassen müssen, spätestens in jenem Moment aber, als man ihr mitteilte, dass sie das Bundesverdienstkreuz und damit die höchstoffizielle Bestätigung erhalten würde, im Europa der ISO-Normen angekommen zu sein. Da hätte ihr doch klar sein müssen, dass sie etwas falsch gemacht hatte, es sei denn, sie war nur eine gefühlte, gedachte, eingebildete Linke. Eine couragierte linke Frau jedenfalls hätte angesichts der Rückkehr Deutschlands in den Schoß der großen Kriegernationen diese Ehrung durch das Establishment nicht angenommen,...
Die Qual bis zur Wahl. in: Zeitschrift für unfertige Gedanken
Das ist eine Kritik an ihrer Haltung, die genauso ohne Parteiwechsel geäußert worden wäre. Die Entscheidung selbst wird nicht verurteilt.
Insgesamt scheint mir die Linke wesentlich reifer und selbstkritischer auf den Schock zu reagieren als die SPD auf ihre Verluste. Da erinnere ich mich an Schuldzuweisungen und Vorwürfe gegen die Ausgetretenen, etwa, "hat in den letzten Jahren sowieso nicht mehr konstruktiv mitgearbeitet". Als Beispiel möge hier ULRICH MAURER genügen, über den der SPIEGEL berichtete (Hervorhebungen von mir):
SCHRÖDER oder ich Von DAHLKAMP, JÜRGEN
Jetzt sitzt er also da, wo die Flegel sitzen. Flegel, die mit der Schulklasse in den Landtag fahren, sich dort in die letzte Bank verdrücken und die Schreibunterlage aus Messing aus dem Abgeordnetenpult herausziehen. Die ihr Taschenmesser nehmen und dann zu ritzen beginnen.
Wenn ULRICH MAURER seine Messingplatte herauszieht, an seinem neuen Platz im baden-württembergischen Landtag - ganz hinten, letzte Reihe, kein Nachbar -, steht da "Arschloch". Und das ist genau das, was viele jetzt denken, die in den Reihen vor ihm sitzen, die Damen und Herren der SPD, die 35 Jahre auch seine Partei war. Bis MAURER, Ex-Fraktionschef, Ex-Landesvorsitzender, Ex-"Roter Riese" der Südwest-SPD, nach so viel Ex vor drei Wochen hopp gemacht hat: zur WASG, die im Bündnis mit der neuen Linkspartei, früher PDS, bei der Bundestagswahl antritt.
ULRICH MAURER hat ein gutes Gedächtnis, und weil er schlecht vergessen kann, ist er mit SCHRÖDER schon fertig seit den Siebzigern. Da stand MAURER bei den Jusos rechts. SCHRÖDER aber machte seinen eigenen Flügel auf und paktierte mit den Linken, den "Stamokaps" um den heutigen SPD-General KLAUS UWE BENNETER. So wurde BENNETER Juso-Chef, SCHRÖDER sein Nachfolger, und seitdem sagt MAURER über SCHRÖDER: "Er sucht die Macht, egal wo. Wäre er in Russland geboren worden, hätte er auch am Zaun des Kreml gerüttelt."
Diesen SCHRÖDER will MAURER bis heute stoppen. Erst hat er es mit den gleichen Mitteln probiert, die auch SCHRÖDER nutzt: eine eigene Machtbasis aufbauen, als Landeschef, als Fraktionschef, dann Vertraute in Stellungen bringen, bei Bedarf in Stellung. Es hat nichts gebracht. Jetzt also, seit er in der Partei nichts mehr zu verlieren und nichts mehr verloren hat, der Versuch von außen, mit der WASG.
"Als besonders links ist er mir nie aufgefallen", wundert sich ein langjähriger Wegbegleiter. Sicher gab es beim LAFONTAINE-Freund MAURER immer Sätze wie "Denkt mir an die Leute in den hohen Häusern mit den kleinen Geldbeuteln". Mehr als die Wirtschaftspolitik, mit der er SCHRÖDER heute von links angreift, interessierte ihn aber all die Jahre die Innenpolitik. Und ging es überhaupt um rechts oder links, ging es nicht vor allem um "gegen"?
1993 etwa sollte das Parteivolk einen neuen Bundesvorsitzenden wählen. MAURER schmiedete das, was er bis heute ein "SCHRÖDER-Verhinderungsbündnis" nennt. HEIDI WIECZOREK-ZEUL trat an, kostete SCHRÖDER die entscheidenden Stimmen - neuer Vorsitzender wurde RUDOLF SCHARPING. Es war vielleicht MAURERs größter Triumph, erzwungen mit einer Politik, die aufgeht, wenn sich alle Figuren in einen großen Plan fügen.
Und die bei einem wie MAURER auf Dauer scheitern muss. "Der ist ein Autist", lästert eine SPD-Bundestagsabgeordnete. Ein einsamer Entscheider, der die Menschen nicht mitnimmt, die er für seinen Plan braucht. Der ihnen das Gefühl gibt, sie seien "alles nur Pygmäen", wie sich ein Stuttgarter Ex-Minister erinnert...
Für UTE VOGT ist der Mann ein "tragischer Fall", ein "Rex Gildo" der Politik, der jahrelang auf den großen Bühnen stand und nicht verkraften konnte, dass diese Zeit vorbei war. "Jetzt hat er sich irgendeine andere Bühne gesucht, koste es, was es wolle." Der Fraktionsmann HANS-GEORG JUNGINGER ätzt, ausgerechnet "der MAURER" müsse darüber klagen, dass SCHRÖDER mit seinem Neuwahl-Coup einen "Putsch von oben" durchgezogen habe - "Putsch von oben war doch der Wesenszug von MAURERs Führungsstil all die Jahre".
Vielleicht ist die Empörung so groß, weil die Nervosität noch größer ist: Als der SPD-Mann CLAUS WICHMANN MAURER jetzt im Landtag begrüßte, zischte ein Kollege: "Was gibst du Arsch dem noch die Hand?" Und die Linke CHRISTINE RUDOLF, die sich den WASG-Listenparteitag angesehen hatte, musste sich in der Fraktion anhören, sie wolle nur ihren Wahlkreis gewinnen und dann auch zum Feind überlaufen. RUDOLF giftete zurück, sie werde jeden verklagen, der das noch mal behaupte.
Welche politische Kultur will man auch von einer Partei erwarten, die das zeitgeschichtlich wertvolle und daher vom Bonner Haus der Geschichte begehrte Parteibuch ihres ausgetretenen Ex-Vorsitzenden lieber schreddert als dem Museum zu geben?
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