Menschen, die [wie ich] Angst vor wachsendem islamischen Einfluß haben und sich [anders als ich] dem Judentum oder Christentum verbunden fühlen, glauben oft ein kluges Argument zu verwenden, wenn sie darauf verweisen, daß in einem islamischen Land ja auch keine Kirchen gebaut werden dürfen. Ich habe am 4. Dezember 2009 in zwei Kommentaren (einem weiter gefaßten und einem speziellen) im Atheist Media Blog dieses Argument zerpflückt. Damit das Internet es auch wirklich nicht vergißt, zitiere ich diese Einträge hier.
Der Blog zitierte einen Artikel der österreichischen Kronenzeitung. Ich schrieb dazu:
Norbert S Sagt:
4. Dezember 2009 um 04:00
Ich habe das Problem, beim Minarettverbot auf verschiedene andere Themen auszuufern. Ich will versuchen, meine Meinung zu strukturieren.
1. Meine Meinung zum Volksentscheid
2. Möglicher Nutzen der Volksabstimmung in der Schweiz
2.1. Diskussion über Grundlagen unserer Identität, unserer Gesellschaftsordnung oder unserer “Leitkultur”
2.2. Richtige von falschen Feindbildern unterscheiden
2.3. Erkennen der Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Religionen
3. Möglicher Schaden der Volksabstimmung in der Schweiz
3.1. Entwickungen wie Rechristianisierung, angebliches “christliches Abendland” oder “christlich-jüdisches Menschenbild”
3.2. Dialog und Bündnisse gegen bürgerliche Rechte
3.3. Brutalisierung
3.4. Neid und Mißgunst
4. Was ich mir wünsche
1. Meine Meinung zum Volksentscheid |
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Ich hätte als Schweizer gegen das Minarettverbot entschieden, wäre also in der Minderheit gewesen. Es steht einer pluralistischen Gesellschaft nicht zu, einer Religion und ihren Anhängern Vorschriften über den Kult zu machen, es sei denn, der ist so extrem (Menschenopfer…), dass dies schwerer wiegt. Weder darf man den Katholiken Zölibat verbieten oder in welche Richtung der Priester am Altar guckt, vorschreiben, noch den Moslems, ob sie ihre Veranstaltungen vom Minarett ausrufen. Das sollte eigentlich trivial sein, muß aber offenbar mal festgestellt werden.
Über das Ergebnis bin ich aber auch nicht traurig. Mit zunehmendem Alter (bin 51) passiert mir immer wieder, daß ich trotz vernünftiger Einwände eine klammheimliche Freude über falsche Entwicklungen empfinde, etwa, als die Niederlande den EU-Vertrag ablehnten, obwohl ich dafür gestimmt hätte oder als die SPD eine Wahlniederlage nach der anderen hinnehmen mußte, obwohl zumindest die bisherige Arbeit im EU-Parlament mehr Anerkennung verdient hätte (im Bundestag nicht). Aber ich denke mir, daß dadurch manchmal eine notwendige Feinjustierung (Umkehr wäre übertrieben) beschleunigt wird, während man ohne solche Schläge immer mehr vom richtigen Kurs abkäme. Das ist vielleicht eine Sonthofen-Strategie, die mich bei FJS 1974 noch schockiert hat:
Anders gesagt, eine Niederlage der dummen Forderung nach Minarettverbot hätte m.E. dazu führen können, daß nicht nur Minarette gebaut würden, gegen die ich nichts habe, sondern “nach einer Pause” auch dort Rücksicht auf islamische Forderungen genommen würde, wo dies “in die falsche Richtung dann wieder weiter” mit der Einschränkung von Freiheiten für alle verbunden wäre.
2. Möglicher Nutzen der Volksabstimmung in der Schweiz |
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2.1. Diskussion über Grundlagen unserer Identität, unserer Gesellschaftsordnung oder unserer “Leitkultur” |
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Diese Diskussion kann nur dann ein Vorteil sein, wenn dabei auch die wirklichen Grundlagen herausgearbeitet werden. Es könnte aber auch wie nach dem Zweiten Weltkrieg eine ziemlich unangenehme schwer erträgliche Phase der Bigotterie und Frömmelei eingeläutet werden (siehe “möglicher Schaden…”) Ich sehe die Grundlagen darin, daß im jahrhundertelangen Kampf gegen Klerus, Staatsreligionen und Gottesstaaten die Aufklärung Religion zur Privatsache gemacht hat. Das ist aber z.B. in Polen und Griechenland noch nicht so angekommen wie hierzulande und in Bayern noch nicht so bekannt wie in Berlin. Ich brauche hier keine Liste der Merkmale auszudenken, denn das hat schon Papst PIUS IX. mit der Enzyklika »Quanta cura« am 8. Dezember 1864 übernommen. Streicht man die Glaubensirrtümer, so bleiben die politischen, gesellschaftlichen, rechtsphilosophischen Ansichten, die Grundlage heutiger liberaler demokratischer Staaten sind. (2) Die werden komplett abgelehnt. Davon spricht man im heutigen Katholizismus nicht mehr gern, weil man angeblich nach dem 2. Vatikanischen Konzil ganz anders denkt. Eine Diskussion über unsere Grundlagen würde das herausarbeiten. Damit würde aber auch klar, daß nicht der Islam die Gefahr ist, sondern der totalitäre Anspruch von Religionen generell.
2.2. Richtige von falschen Feindbildern unterscheiden |
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In einer Zeit, in der auch im Zusammenhang mit den Parallelgesellschaften in Europa leicht Ausländerfeindlichkeit entstehen könnte, erhoffe ich mir von der intensiveren Diskussion, daß endlich erkannt wird, daß nichts, was wir von Natur aus sind, sei es Mann oder Neger oder blond, zu einer Bedrohung wird. (Es mag einzelne Deformationen oder Vorschädigungen geben, die aber m.E. unter Krankheiten fallen und hier nicht zählen.) Man wird z.B. erkennen, daß zu “uns” eine ziemlich dunkelhäutige Atheistin wie AYANN HIRSI ALI ebenso gehört wie ein hier geborener grüner Politiker mit Migrationshintergrund, aber nicht ein komplett deutsch aufgewachsener Konvertit namens Fritz. (3). Das was Menschen nicht ändern können – Haut- oder Haarfarbe (kommt mir jetzt nicht mit MICHAEL JACKSON) – taugt nicht als Feindbild. Kritisch beobachten sollten wir potentiell bedrohliche Einstellungen. Dabei darf m.E. nicht vergessen werden, daß man auch davon abfallen kann. Man nutzt einer Frau mit Kopftuch nicht, wenn man sie beleidigt. Vielleicht legt sie es unter Druck an, vielleicht hat sie Freundinnen ohne Kopftuch, deren Vorbild sie irgendwann bewegt, ihres abzulegen. Ich denke z.B. an EMEL ABIDIN-ALGAN, die Tochter des Gründers von Milli Görüs. Vielleicht ist sie auch unter dem Kopftuch selbständiger als manche angepaßte “Schlampe mit Arschgeweih”.
2.3. Erkennen der Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Religionen |
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Sowohl im Islam als auch unter denen, die seinen Einfluß kritisch sehen, gibt es ganz unterschiedliche Richtungen. Im Zusammenhang mit SCHÄUBLEs Islamkonferenzen ist das teilweise auch allgemein bekannt geworden.
Auch der Religionsvergleich könnte durch den Schock der schweizer Volksabstimmung an Qualität gewinnen. Es gibt zwar Hinweise auf ein christlich-jüdisches Menschenbild (Gemeinsame Grundlagen in “Alten Testament”), aber auch Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Moslems (Essensregeln, gemeinsames Vertreibungsschicksal aus Europa) und zwischen Moslems und Christen (z.B. leider Antisemitismus). Das muß doch mal dargestellt werden. Auch die Radikalität ist nicht typisch oder ausschließlich muslimisch. Ich habe durch Berichte des NDR-Magazins “Zapp” z.B. erfahren, daß ein Schülerzeitungsredakteur, der kritisch über evangelikale Gruppen berichtet hat, ebenso Morddrohungen bekommen hat wie ein evangelischer Liedermacher, der ein einem Text kritische Fragen an Papst BENEDIKT gerichtet hat.
Atheisten wissen, dass das Christentum Schaden anrichtet. Aber Christen finden dafür so viele Ausreden wie EGON KRENZ für den Schießbefehl. Beide großen Kirchen mußten in letzter Zeit skandalösen Umgang mit Heimkindern noch vor wenigen Jahrzehnten zugeben, ganz schlimm war es wohl in Irland, worüber es einen umfangreichen Untersuchungsbericht (70 PDF-Dateien) (4) gibt. Die komische Einstellung der katholischen Kirche zur Familienplanung und Empfängnisverhütung richtet viel Schaden an. Im Iran hingegen propagieren auch Imane und Ayatollas Familienplanung und haben die Geburtenrate erheblich senken können. Auch die Lust der Frau wird in der Ehe vom Islam mehr gewürdigt als vom Christentum, wo nach PAULUS Mann und Frau besser wie Geschwister zusammenleben sollen. Das ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt genug.
Vergessen wir auch nicht die hier nicht verbreiteten Religionen. Wieviel Unheil etwa der Hinduismus in Indien anrichtet, konnte man kürzlich noch in “Kreuz und quer” auf 3Sat bewundern. Der tibetische Buddhismus vor der Invasion der Chinesen war auch alles andere als lieb und friedlich. Auch Gottlose können eine Menge Unheil anrichten, wenn sie ihre Erkenntnisse verabsolutieren.
3. Möglicher Schaden der Volksabstimmung in der Schweiz |
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3.1. Entwickungen wie Rechristianisierung, angebliches “christliches Abendland” oder “christlich-jüdisches Menschenbild” |
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Die Frage “Was habe ich bloß falsch gemacht?” führt schon bei Eltern mißratener Kinder oft zu falschen Antworten (“ich war nicht streng genug”). So ähnlich kann es auch diesmal gehen. Wenn etwa eine Mehrheit darauf kommt, jetzt einen “Kreuzzug” zu führen. Nach der NS-Diktatur gab es z.B. seltsame Ursachenforscher, die meinten, mit Frömmigkeit wäre die Katastrofe zu verhindern gewesen.
Der Mief der 50er Jahre kann aber nicht die Antwort sein. Und das christlich-jüdische Menschenbild hat man auch erst durch die Shoa entdeckt, vorher war das Christentum überwiegend antisemitisch.
3.2. Dialog und Bündnisse gegen bürgerliche Rechte |
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Ich beobachte mit Sorge interreligiöse Dialoge. Zwar entlarven die sich z.T. selbst, wenn z.B. Moslems die Teilnahme von Bahai verhindern, aber in der Tendenz könnte doch herauskommen, daß man gemeinsame Interessen entdeckt, für die man gemeinsam kämpft, z.B. strengere Bestimmungen gegen Gotteslästerung, verpackt als Kampf gegen die “Verunglimpfung von religiösen Bekenntnissen”.
Leider herrschen nicht nur teilweise naive Vorstellungen über “den Islam”, sondern auch das Christentum wird viel zu positiv dargestellt. So sah ich auf 3Sat ein Gespräch mit NECLA KELEK (Sternstunden 6.4.2008) (6). Die Frauenrechtlerin dürfte sich noch wundern, wenn sie mal Gelegenheit bekäme, ihre naiven Vorstellungen über das Christentum mit der Wirklichkeit zu vergleichen.
Ein Dialog zwischen Gottlosen und Gläubigen kann übrigens auch Gemeinsamkeiten entdecken, und zwar im Urteil über nicht beteiligte Religionen. Schnell wird man sich mit Christen einig, daß z.B. Mormonenglaube oder Scientology Menschenwerk sind. Ihr eigenes Christentum ist aber angeblich eine göttliche Offenbarung. Es ist, als ob man behauptet, in allen Gärten entstehe das Grün durch Fotosynthese, nur im eigenen kommen Engelchen mit einem Farbeimer vorbei.
Sowohl Moslems als auch ihre Gegner können nach diesem Volksentscheid eine Rechtfertigung für Gewaltakte gefunden haben. Wir haben das in den Niederlanden beobachten können. Erst meinte ein Moslem, wegen “Submission” THEO VAN GOGH ermorden zu dürfen, dann zündeten Nichtmoslems moslemische Schulen an.
Die Befürchtung ist schon eingetreten. Anhand anderer Themen schon lange (dazu gleich ein Exkurs), aber speziell bei der Stellung des Islam in liberalen Gesellschaften mit noch relativ starkem Christentum immer wieder von Christen oder Christinnen mit dem Argument: Die sollen erst mal Kirchen in z.B. der Türkei (oder gar Saudi Arabien !) erlauben. Eindeutig ist das der falsche Blickwinkel.
Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, das zwar innerstaatlich geschützt wird – in Deutschland durch Art. 4 GG in Verbindung mit Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 WRV, durch die Europäische Menschenrechtskonvention und durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Mir ist nicht ganz klar, wie weit auch die Schweiz daran gebunden ist, aber nach jüngsten Berichten wird wohl spätestens ein abgelehnter Bauantrag die Gelegenheit bieten, vor dem EGMR zu klagen und das Minarettverbot zu kippen.
Selbst wenn auf allen anderen Kontinenten diese Rechte nicht gelten würden, wäre das bei der Beurteilung des Minarettverbotes egal, weil nun mal die Schweiz dazu gehört. Das Gegenseitigkeitsargument erniedrigt nicht ein Menschenrecht nur zum Bürgerrecht – dann hätten alle Moslems mit Staatsbürgerschaft das Recht auf Kultstätten mit Türmchen – sondern noch darunter zu einer Art Handelserleichterung, die man sich bilateral auf Gegenseitigkeit gewähren kann wie etwa die Anerkennung von Hochschulabschlüssen. Das ist völlig daneben und verkennt das Wesen der Religionsfreiheit als Menschenrecht. Es entlarvt aber die Tendenz einer mächtigen Religion, anderen Vorschriften zu machen. Ich habe nie gehört, dass ein Befürworter der Gegenseitigkeit so weit denkt, dass wirklich die Muslime in solche aus Ländern mit christlichen Kirchen (z.B. deutsche Muslime) und solche aus Ländern ohne getrennt werden müßten. Letztere müßten ja dann eigentlich eine Kultstätte nach eigenen Vorstellungen für sich (aber nicht für die Glaubensbrüder aus den falschen Ländern) errichten dürfen.
Der Neid – jetzt kommt noch der angedrohte Exkurs – treibt seltsame Blüten. Lieber nimmt manche(r) eigene Entbehrungen in Kauf, als anderen etwas zu gönnen, etwa wenn angeblich die Stimmung zugunsten der PKW-Maut kippt, weil “wir ja auch bei denen bezahlen müssen”, doof ist das außerdem, denn “bei denen” müssen “die” ja selbst bezahlen, und “hier” zahlen “wir” keine Maut, warum sollten dann “die” bezahlen. Auch wenn “Florida-Rolf” unbedingt zurückgeholt werden muß, obwohl das mehr Kosten verursacht hätte, als ihm die Sozialhilfe weiter in die angebliche Touristenidylle (in der es Tornados, Hitze und gefährliche Tiere gibt) zu überweisen, ist Neid geschürt worden. Auch Studiengebühren waren mal angeblich gut, weil die arme Verkäuferin ihr Kind vom eigenen Geld in den Kindergarten schicken mußte, während die Kinder der Reichen (unterstellt und nimmt hin, dass Kinder von Verkäuferinnen diesen Aufstieg nicht schaffen) auch noch auf Kosten der Steuerzahler (und damit der Verkäuferin) studieren können. Man könnte noch mehr Beispiele finden. Harmlos, aber doch krass finde ich, daß im Ausland teilweise die kleinen Münzen zu 1 oder 2 ct. aus dem Verkehr verschwanden, weil sie nur relativ teuer herzustellen sind, und im Durchschnitt niemand geschädigt wird, wenn immer zum nächsten 5ct-Betrag gerundet wird. Mal hat der Kunde was davon, mal der Laden. In Grenznähe stellte man fest: Mit Deutschen ist das nicht zu machen, die wollen immer das Wechselgeld ganz genau zurückbekommen. Exkurs beendet!
4. Was ich mir wünsche |
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Bei meinen Vorschlägen kann ich nicht immer bestimmen, wie weit sie gehen.
Darf man eine Burka verbieten, auch privat getragen in der Öffentlichkeit? Ein generelles Kopftuchverbot schwebt mir jedenfalls nicht vor, mein Windows-Desktop zeigt sogar 2 Kopftuchfrauen (7) Das Problem ist z.B.: Wenn man zum Nacktbaden eigene Öffnungszeiten in Schwimmbädern einrichtet, warum nicht auch für Baden in “Burkinis”? Nur: Eltern üben wohl keinen Druck aus, wenn ihre Kinder nicht zum Nacktbaden mitkommen wollen, beim islamischen Burkinibaden dürfte das eher vorkommen.
Früher fand ich ungerecht, dass Baghwanfans als LehrerInnen nicht mit der Kette mit dem Bild ihres Gurus unterrichten durften, seit man aber auch Kopftuchlehrerinnen verhindern will, kann ich mich mit einer Regelung anfreunden, die allgemein religiöse Symbole in der Schule verbietet, dann aber auch Kruzifixe. Aber da stößt man ja z.B. in Polen, Italien und Bayern auf heftigen Widerstand.
Inzwischen müßte eigentlich die antike Antigone-Sage (8), mit der ganze Schülergenerationen drangsaliert wurden – Tendenz: Gewissensentscheidungen sind heilig, weltliche Gewalt muß Rücksicht nehmen usw. – neu interpretiert werden, denn angesichts der allgemeinen Forderungen nach Integration und Anpassung müßte man fragen: Warum will die dumme Nuß unbedingt ihren Bruder Polyneikes begraben, obwohl das verboten ist, die soll sich doch integrieren. Nach meiner gewandelten Interpretation (die früher herrschende Lehre hat mich damals noch überzeugt) kann man allerdings auch das nicht daraus lernen, sondern wie sehr Rechthaberei Unheil anrichten kann, sowohl “weltliche” als auch “reiligiöse”.
Dieser Beitrag war ein Zitat eines Aufsatzes von YASSIN MUSHARBASH auf Spiegel Online.. Er weist darauf hin, daß die Christen im Nahen Osten Nachfahren von Christen aus der Zeit Jesu sind und ihre Kirchen älter als jede Moschee. "Wie du mir, so ich dir" – das solle die neue Devise sein. Dahinter verberge sich aber nicht nur ein schiefer Vergleich von muslimischen Äpfeln und christlichen Birnen, sondern auch die geballte Macht der gedanklichen Faulheit und der gefühlten Zusammenhänge. Es helfe keinem Christen in Kairo, wenn in Winterthur kein Minarett mehr gebaut werde.
Benutzer "BATTISTA MONTINI" schrieb dazu: "Was unsere Gedankenelite und auch der Schreiber meint, abfällig als Wirre Logik abzutun, nennt man Demokratie."
Norbert S Sagt:
4. Dezember 2009 um 14:43
Auf die Gefahr hin, Leute zu langweilen, die meinen anderen Kommentar zum Minarettverbot (1) gelesen haben – da wußte ich noch nicht, dass der Aspekt “Wirre Logik” gesondert behandelt wird – wiederhole ich
Das Gegenseitigkeitsargument erniedrigt nicht ein Menschenrecht nur zum Bürgerrecht – dann hätten alle Moslems mit Staatsbürgerschaft das Recht auf Kultstätten mit Türmchen – sondern noch darunter zu einer Art Handelserleichterung, die man sich bilateral auf Gegenseitigkeit gewähren kann wie etwa die Anerkennung von Hochschulabschlüssen. Das ist völlig daneben und verkennt das Wesen der Religionsfreiheit als Menschenrecht. Es entlarvt aber die Tendenz einer mächtigen Religion [hier des Christentums], anderen Vorschriften zu machen. Ich habe nie gehört, dass ein Befürworter der Gegenseitigkeit so weit denkt, dass wirklich die Muslime in solche aus Ländern mit christlichen Kirchen (z.B. deutsche [oder US-amerikanische] Muslime) und solche aus Ländern ohne getrennt werden müßten. Letztere müßten ja dann eigentlich eine Kultstätte nach eigenen Vorstellungen für sich (aber nicht für die Glaubensbrüder aus den falschen Ländern) errichten dürfen.
Wer auf Gegenseitigkeit etwas vereinbart, muß sozusagen “auf Augenhöhe” miteinander verhandeln können. Wenn eine christliche Konfession mit einer anderen vereinbart, gegenseitig die Sakramente anzuerkennen, oder wenn eine Konfession erklärt, mit den bisherigen Gemeinsamkeiten sei nun Schluß, weil die andere plötzlich Schwule oder Frauen oder gar homosexuelle Frauen ordiniere – warum nicht. Das ist deren Kerngeschäft, sich eine Moralordnung auszudenken und durchzusetzen. Ich weiß nicht, was Christen und Moslems miteinander alles vereinbaren können, aber wenn es z.B. die Friedhofsnutzung ist, soll mir das auch recht sein. Sie sollen aber nicht versuchen, gemeinsam wieder die Gotteslästerung strafbar zu machen. Das richtet sich nämlich gegen Menschen, die weder von der einen noch von der anderen Religion vertreten werden können.
Größte Bedenken habe ich aber, wenn der Staat sich in diese inneren Angelegenheiten einmischt und z.B. vorschreibt, in welcher Sprache der Kult erfolgen soll, welche Rechte Frauen intern haben, wie die Zeremonienmeister bestimmt werden müssen usw. Etwas, was den Staat hierzulande nichts anginge, wenn es nur um hier lebende Personen ginge, kann oder sollte er aber nicht auf dem Umweg in seine Zuständigkeit bringen, daß er mit einem anderen Staat, der seine Befugnisse überzieht, darüber verhandelt, wie das wechselseitig anerkannt wird.
Demokratie verhindert nicht wirre Logik, sie verhindert nicht mal, dass sich wirre Logik durchsetzen kann.
Übrigens hörte ich mal in der Teleakademie (SWR-Fernsehen), daß der Islam in Preußen während des Kulturkampfes als modern galt und man ihm eher zutraute, an der Entwicklung des Staates teilzuhaben, als den “ultramontanen” Katholiken, die unter dem Einfluß einer ausländischen Macht (des Vatikans) standen.
Es sieht so aus, als habe man in Deutschland mehr Erfolg damit gehabt, Religionsfreiheit, Toleranz, das friedliche Zusammenleben der Religionen, den staatlichen Ansprich, Personenstandswesen und Schulwesen zu ordnen usw. gegen den Katholizismus als gegen den Islam durchzusetzen. Man muß es endlich ernsthaft versuchen, denn warum sollte es nicht wieder gelingen. Eine falsche Toleranz kann nur zum Rückschritt und zu neuen Freiheitsbeschränkungen führen, die richtige Toleranz muß – auch nach preußischem Vorbild – die Religionsfreiheit schützen bis zur Grenze, die sie an der Freiheit der Andersdenkenden findet. Minarette beeinträchtigen aber nicht die Freiheit der Andersdenkenden.
“1731… vermachte der Herzog von Kurland dem Preußenkönig FRIEDRICH WILHELM I. (1713-1740) zwanzig “türkische Gardesoldaten”. Für sie ließ der König im folgenden Jahr am Langen Stall in Potsdam einen Gebetssaal herrichten: die erste deutsche Moschee… Der Monarch legte größten Wert darauf, dass “seine Mohammedaner” ihren religiösen Pflichten nachgingen…
Es blieb nicht bei den zwanzig türkischen Gardesoldaten. Die Zahl der muslimischen Söldner in der preußischen Armee stieg rasch auf über tausend Mann an. Als FRIEDRICH der Große 1740 den Thron bestieg, entschied er als eine seiner ersten Amtshandlungen über eine Anfrage aus Frankfurt an der Oder. Der Rat der Stadt wollte wissen, ob in einer evangelischen Stadt ein Katholik das Bürgerrecht erwerben könnte. Der König bejahte die Frage uneingeschränkt und ergänzte seinen Bescheid mit dem Zusatz:
Der Preußenkönig blieb dieser Devise während seiner gesamten Regierungszeit treu. Neben den alteingesessenen Glaubensgemeinschaften der Protestanten und Reformierten erhielten auch Katholiken, Mennoniten, Juden und Muslime das Recht auf freie Religionsausübung – dank des Grundsatzes, dass in seinem Reiche jeder nach seiner Facon selig werden dürfe. Am 22. Juni 1740, in den ersten Tagen seiner Regierungszeit, schrieb er auf ein Aktenstück eine der ersten seiner berühmten Randbemerkungen:
Die Zahl der muslimischen Söldner im preußischen Heeresdienst erhöhte sich im Jahre 1745 um ein Mehrfaches, als der albanische Juwelenhändler Sarkis dem König von Preußen eine ganze Schwadron bosnischer Lanzenreiter anbot – als Gegengewicht gegen die tatarischen Reiter, die im vereinigten sächsischen und polnischen Heer dienten. FRIEDRICH nahm das Angebot an, war mit der Einsatzbereitschaft seiner Bosniaken mehr als zufrieden und beschloss nach dem Friedensschluss mit Sachsen und Polen, den bosnischen Reitersoldaten in Ostpreußen feste Garnisonen zuzuweisen. ” (2)