WWW-Tipp der Woche 2/2000

Liebe Netzgemeinde,

wie bereits vorige Woche angekündigt, berichte ich von meinem Amsterdambesuch.

Besuch in Amsterdam am 8.1.2000

De Bijenkorf

In Amsterdam parkte ich im "Bijenkorff" (Bienenkorb), Dam 1, einem großen Gebäude mit Kaufhaus. Es wird bei den bereits früher an dieser Stelle empfohlenen Amsterdamer Monumenten erwähnt. Das Haus wurde 1911/14 als erstes niederländisches Warenhaus vom Architekten B.A. LUBBERS und anfangs noch von J.A. VAN STRAATEN errichtet. Es besteht aus einem Betonskelett mit traditioneller Fassade in Neo-Stil, Barock und Klassizismus. Schlußsteine über den Eingängen gedenken des Bauherrn S(imon) P(hilip) G(oudsmit), dessen Geschäft hier im September 1914 eröffnet wurde. Die drei Personen waren mir vorher kein Begriff. Das Parken (11-19 Uhr) kostete über 40 DM.


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Museum Amstelkring

Zunächst besuchte ich die ehemalige katholische Kirche im Museum Amstelkring, Voorburgwal 40. Die calvinistische Mehrheit beschlagnahmte 1578 alle Gotteshäuser anderer Konfessionen und wies sie der eigenen Gemeinschaft zu. Allerdings durften in der Folgezeit z.B. die noch starken katholischen Kräfte sich unauffällig versammeln. So entstanden mehrere Kirchen in wie Wohnhäuser aussehenden Gebäuden. Als einzige ist die Kirche "Onse leeve Her op den solder" (Unser lieber Herr auf dem Speicher - 1661/63) erhalten.

Der Kultraum befindet sich im 1. Obergeschoß. In weiteren Stockwerken sind Galerien mit zusätzlichen Sitzplätzen angebracht. Zu allen Stockwerken führen enge Treppen, für Gehbehinderte ist das Museum somit nicht geeignet. Das ist schade, denn was es zu sehen gibt, ist einzigartig - eine andere Kirche dieser Art ist nicht mehr erhalten. Das Gebäude war jahrzehntelang an Katholiken vermietet, auch von evangelischen Hausbesitzern, bis es schließlich von einem katholischen Geistlichen gekauft wurde. 1798 wurde das Verbot eigener Kirchen anderer Konfessionen aufgehoben und danach verschwanden die übrigen dieser Kirchen nach und nach. Hier hatte man noch 1795 eine Orgel eingebaut, die heute noch mit Ausnahme des manuell betriebenen Blasebalgs benutzt werden kann. Heute wird die Luft mittels Elektromotor erzeugt. Seit über hundert Jahren ist das Gebäude Museum.

Die Ausstattung ist recht eindrucksvoll: zwei Stockwerke hoher klasszistischer Saal mit zwei Galerien. Die Einrichtung ist barock, der Altar (1736) schildert die Taufe im Jordan, die Orgel (1793) stammt von HENDRIK MEIJER. Besonders ist mir die ausklappbare Kanzel (Ende 18. Jhd.) aufgefallen, obwohl man das nur auf Schautafeln erklärte.

Daß sie eindrucksvoll ist, kann man von der Sonderausstellung, die ich in meinem Bonustipp erwähnte, nicht behaupten. Wären die Gegenstände der Marienverehrung Teil der Dauerausstellung, hätte ich es auch nicht übertrieben gefunden. Mir ist auch nichts davon besonders in Erinnerung geblieben.


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Die Kirche liegt im Rotlichtmilieu, das auf mich einen angenehmen Eindruck machte. Unter den vielen schönen, meist dunkelhäutigen Frauen in Schaufenstern habe ich keine rauchen sehen. Ob die dafür in die "Coffeeshops" (die von außen nicht gerade aufregend wirkten) gehen oder ob ich nur einen günstigen Moment erwischt hatte oder ob ich nicht alles mitbekommen habe, weil ich so früh aufgestanden war (6 Uhr, Fahrt etwa von 7 bis 10 Uhr), weiß ich nicht.

Amsterdam, der Zweite Weltkrieg und das Gedenken

Danach besuchte ich das Amsterdamer Historische Museum, begab mich aber nicht direkt dorthin, sondern über den Oude Zijds Voorburgwal und den Oude Turfmarkt, wo ich davon absah, das Allard Pierson Museum für Archäologie zu besuchen, was ich mir für den Nachmittag vornahm, wenn die Zeit reichen würde. Leider schließen in Amsterdam fast alle Museen schon um 17 Uhr. Als Diktator würde ich das ändern.

Dann ging ich die Straße "Rokin" entlang und bog schließlich in die Fußgängerzone nach links ab. Da war ich aber schon am gesuchten Museum vorbei - zum Glück, denn so konnte ich noch in einer Buchhandlung diverse verbilligte Bücher kaufen. Sogar der deutschsprachige Katalog zur Gauguin-Ausstellung in Essen wurde dort angeboten, aber den hatte ich schon.

Ein Euro kostet 2,20371 hfl+ Abzockzuschlag oder 1,95583 DM + Abzockzuschlag. Daraus ergibt sich ein Wechselkurs von 0,8875 hfl/DM. "hfl" steht für "holländischer Florin", woraus der Gulden wurde. Oft findet man auch die Abkürzung "f", die man mit den belgischen Franken verwechseln kann. Erworben habe ich z.B. einen Katalog des Mauritshuis für nur 2,95 hfl (in Euro: 1,39) und für 4,95 hfl (in Euro 2,25)

Das schmale Buch (62 Seiten) behandelt das Gedenken an die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Dieses hat jedes Jahr um den 4. und 5. Mai einen Höhepunkt, weil 1945 um diese Zeit die Niederlande vollständig befreit wurden. (In Aachen waren die Alliierten schon im Oktober 1944, aber danach ging der alliierte Vormarsch nur noch langsam voran.) Ich habe das Buch inzwischen gelesen und gebe mal einige Erkenntnisse wieder, die hier vielleicht von Interesse sind.

Die jüdischen Überlebenden hätten sich mehr Aufmerksamkeit gewünscht, wurden aber offiziell gleichbehandelt, obwohl sie wegen ihres Seins und nicht wegen ihres Tuns verfolgt worden waren. (S. 12) Auch hatte es in der Besatzungszeit wachsenden Antisemitismus gegeben, der aber nachließ, als mehr darüber bekannt wurde, was den Juden und Jüdinnen angetan worden war. Zum berühmten Februarstreik heißt es, die Razzia gegen Juden hätte zwar einen Anlaß geboten, die Vorbereitungen seien aber schon viel früher angelaufen, z.B. um die Zwangsarbeit im Deutschen Reich zu verhindern. (S. 13)

Nach der Befreiung wurden eher die umgekommenen WiderstandskämperInnen geehrt als auf die überlebenden gehört oder die Mentalität der Angepaßten und Kollaborierenden untersucht. (S. 16).


http://www.jhm.nl/museum/images/davidster.jpg

Während des Krieges waren in der früheren "Hollandse Schouwburg" zehntausende Juden vor dem Abtransport zusammengetrieben worden. Der neue Eigentümer wollte das Gebäude unter dem Namen "Piccadilly" 1946 wieder bespielen, was aber schon ein Jahr vorher verboten worden war. Der Betriebsleiter (ob der mit dem Eigentümer identisch war, geht aus dem Buch nicht hervor) war früherer NSBer (niederländischer Nazi) und schrieb, er frage sich, was in diesem Gebäude, wo doch bis 1942 jüdische Schauspieler spielten, während schon Deportationen stattfanden, getan werden müsse:
    "... wat in dit gebouw, waar toch tot 1942, door Joodsche acteurs gespeeld werd, terwijl er toen al deportaties waren, moet worden gedaan. Als er in Amsterdam schouwburgen moeten worden gesloten begint U dan maar met City Tuschinsky Stads Schouwburg, waar Christen menschen mishandeld zijn, en niet te vergeten, de Spiegelschool, wat school was en nu tot Cabaret word omgebouwd, of is dit soms omdat hier Joodsch kapitaal inzit?"

Wenn in Amsterdam Theater geschlossen werden müßten, solle er [der Adressat gehört zum Komitee, daß die "Hollandse Schouwburg" zur Gedenkstätte machen wollte] mit "City Tuschinsky Stads Schouwburg" beginnen, wo Christenmenschen mißhandelt worden seien oder mit der "Spiegelschool", die von einer Schule zu einem Cabaret umgebaut werde, und er unterstellt, diese Theater würden verschont, weil hier jüdisches Kapital drin sitze. (S. 23)


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Die Stiftung brachte eine viertelmillion Gulden zusammen und übernahm das Gebäude 1949. Danach kam das Gebäude zunächst eher herunter, wurde schließlich zur Gedenkstätte umgebaut und 1962 eingeweiht. In den 90er Jahren wurde es erneut umgestaltet. Erst unterstand es dem Amt für Friedhöfe und Krematorien, und gehört heute zum Jüdischen Historischen Museum, über dessen Homepage (und Telefonnummer) die Gedenkstätte erreichbar ist.

Für die deutsch-niederländischen Beziehungen ist wohl der Staatsbesuch GUSTAV HEINEMANNs in den Niederlanden wichtig, der den Bundespräsidenten am 24.11.1969 auch in diese Gedenkstätte führte. HEINEMANN wollte nach seinem Amtsantritt als ersten Staat die Niederlande besuchen. Es war gleichzeitig überhaupt der erste Besuch eines Bundespräsidenten in unserem Nachbarstaat. (S. 43)

Noch 1995 tobte in den Niederlanden eine Diskussion, ob man die Befreiung mit den Deutschen feiern könne. (S. 55ff)


aus dem besprochenen Buch S. 43

Das Jüdische Historische Museum

Dieses Joods historisch museum habe ich nur im Internet besichtigt (in niederländisch, aber es gibt auch eine englische Version), weil einerseits die Zeit nicht reichte, andererseits die aktuelle Sonderausstellung "Jozef Israëls, Zoon van het Oude Volk" nicht mein Gebiet ist. Zum 175. Geburtstag des Künstlers Jozef Israëls (1824-1911) konzentriert man sich auf seine Rolle bei der Emanzipation der Juden in den Niederlanden. Seine Bauern- und Fischerszenen sollen menschliches Gefühl zeigen, aber das zeigt das Museum leider nicht im Internet, es sei denn man findet etwas in der Museums- oder Medien-Sammlung.

Dafür muß man das richtige Wort kennen, beim Künstler natürlich kein Problem (wenn man Jozef Israels statt Jozef Israëls schreibt), bei Gegenständen schwieriger. Ich habe mit der Suchmaschine mal "Thora" versucht (0 Treffer), dann "Tora" -    tora  (9 objecten)    torarol  (23 objecten)    torawikkel  (33 objecten)   dann auf "23 objecten" geklickt und aus der Liste mal ein Objekt ohne Abbildung gewählt, mal eines mit Abbildung. Das zweite brachte mehr Details:


http://catalog.jhm.nl/catalog/images/groot/013B044.jpg
Sprokkelaarster


http://catalog.jhm.nl/catalog/images/groot/001B053.jpg

Wet- en Torarol

Das Amsterdamer Historische Museum

Das Amsterdams Historisch Museum ist erst kürzlich völlig neu gestaltet worden, was vor allem der Darstellung der modernen Stadt genutzt hat.

Da es aber in einem alten Gebäude untergebracht ist, nämlich dem ehemaligen Bürgerwaisenhaus (es war ein Privileg, hier untergebracht zu werden - für Waisen, deren Eltern keine Bürger gab, standen nur kirchliche und Almosenwaisenhäuser zur Verfügung), ist der Besuch mit Rollstuhl eingeschränkt. Das Glockenspiel und auch der nachgebauten Speicher mit altem Radio (in dem man Sendungen des Exilrundfunks empfangen kann) sind dann leider nicht zugänglich.

(Exkurs: bei Famous Adoptees: Profiles: A-K und Famous Adoptees: Profiles: L-Z kann man erfahren, welche Adoptivkinder berühmt wurden. Die beiden Listen (ca 1/2 MB) beziehen sich auf alle, nicht nur auf solche aus diesem Waisenhaus)

Dafür kann man aber einen kleinen Teil der Ausstellung sogar besuchen, ohne Eintritt zahlen zu müssen, nämlich die Schützengalerie, in der Riesengemälde von Schützen ausgestellt sind.


http://www.ahm.nl/m&c/images/MU0007.JPG

Das Museum berichtet auf seiner Homepage nicht nur über seine Sammlungen und Ausstellungen, sondern auch über die Geschichte des Gebäudes und über das Stadtwappen (obwohl dessen Ursprung nicht bekannt ist). Ich erfuhr immerhin, daß die drei Kreuze Andreaskreuze sind, aber nicht, was sie symbolisieren. Die findet man z.B. auch auf den Pollern zum Abgrenzen von Verkehrsflächen. Ich habe eine Miniaturausgabe als Schlüsselanhänger erworben. Außerdem konnte man im Museumsladen zahlreiche Giebelsteinnachbildungen mit Magneten für Wandtafeln kaufen, aber dazu habe ich mich nicht durchgerungen.


http://www.amsterdam.nl/pictures/wapen.gif


http://www.ahm.nl/m&c/images/MU0006.JPG

Die Homepage ist recht informativ, aber ärgert mich auch:

Zur Sammlung werden zu jedem vorgestellten Thema vier Bilder gezeigt und erläutert.

Manche Bilder sind ziemlich dunkel, da hätte man besser belichten oder digital nachbearbeiten müssen. Hübsch ist auch die Rubrik "Interactiv" mit Shockwave: Waisenmädchen und Ankleidepuppe (Kleidungsstücke kann man aus einem Schrank auswählen).

Gut gefiel mir zB. dieses Modell eines Schiffs der VOC (ca. 1742, Palmenholz).
Die Pontons rechts und links hoben das Schiff an, damit es im niedrigen Wasser noch Amsterdam erreichen konnte.


http://www.ahm.nl/collectie/images/paintings/C6002G.JPG

Aus drei Fotos habe ich dieses Bild zusammengesetzt.

Es zeigt das Modell der Amsterdamer Werkstätten der Ostindischen Companie.
Die OIC wollte nicht von vielen Lieferanten abhängig sein und produzierte deshalb vieles selbst.
Im Hintergrund ist ein langes Gebäude zu sehen, die Seilerei, in der Mitte das Große Lagerhaus und vorne links die Werft.

Natürlich berichtet auch dieses Museum über die Besatzungszeit, hier drei Plakate aus der Ausstellung.

Unternehmungen am 15.1.2000

MECC

Im Maastrichter Congreßzentrum MECC besuchte ich die "Internationale Oltimer & Classic Car Show (Interclassics)" Die ist nun schon vorbei und allenfalls könnt ihr demnächst auf meiner Homepage ein paar Fotos sehen.

Industrion

Dieses Museum habe ich bereit in Tipp 40/1999 vorgestellt. Ich schrieb:

Diesmal wollte ich eine Ausstellung über Haushaltsgeräte besuchen. Das war schnell erledigt, denn die Wechselausstellung ist zwar hübsch, aber klein.

Danach habe ich noch den Rest der Dauerausstellung gesehen, für den im Oktober die Zeit nicht reichte. Meine vor Monaten geäußerte Kritik kann ich noch mit Erlebnissen auf der Toilette im Museumscafé ergänzen. Ich dachte spontan, ich sei bei den Mädels gelandet, war aber doch beim eigenen Geschlecht ("richtig" möchte ich vermeiden). Man hatte auf ein Urinal verzichtet und ein Designerwaschbecken eingebaut, das für meine Pranken zu klein war. Aber wenn schon, warum gibt es dort nur einen normalen Seifenspender, und kein Designermodell?

Heute kann man das Museum nicht mehr im Internet finden, schon seit Tagen kommen entweder leere Seiten oder Fehlermeldungen "Der Server http://www.industrion.nl hat keinen DNS-Eintrag" Hoffentlich deutet das auf anstehende Verbesserungen. Aber ob dann noch die frühere Sonderausstellung "Glückauf" besichtigt werden kann?

Das Internationale Institut für Sozialgeschichte

Wenn Euch meine Tipps heute nicht reichen, weil ich bisher im wesentlichen bereits früher erwähnte Links aktualisierte, dann kann vielleicht die Homepage des Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis - ebenfalls in Amsterdam, Euren Wissendurst stillen. Dort gibt es virtuelle Ausstellungen:


http://www.iisg.nl/affiche.gif


http://www.iisg.nl/art.gif


http://www.iisg.nl/chair2.gif


http://www.iisg.nl/vlag.gif


http://www.iisg.nl/salz.jpg


Außerdem möchte ich noch einen Hinweis auf den kürzlich von mir entdeckten Aufsatz

loswerden. Es geht in dem Aufsatz aus der "neuen Musikzeitung" (dessen Abbildungen uns der Verlag im Internet vorenthält) um die Düsseldorfer Propagandaausstellung quot;Entartete Musik", an die 1988 eine Ausstellung in der Düsseldorfer Tonhalle erinnerte. Ich habe die damals besucht und war bei dieser Gelegenheit zum erstenmal in diesem Gebäude. Da ich von der Ausstellung aus dem Rundfunk erfahren hatte, habe ich zunächst die "Turnhalle" gesucht.

Hintergrundklang: RadioOranje.wav <BGSOUND SRC="../Postkarten/RadioOranje.wav">

Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schnitzler

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